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Hollywood-Groteske: »Maps to the Stars« von David Cronenberg

Als Agatha Weiss in Los Angeles aus dem Überlandbus steigt, wartet eine Stretch-Limousine mit Chauffeur auf sie. Agatha, deren Gesicht von Brandnarben gezeichnet ist, lässt sich zu der Ruine einer Villa fahren, welche von einem Feuer verschlungen wurde. Dem gut aussehenden und wohlerzogen wirkenden jungen Mann am Steuer erzählt Agatha von ihrer Internet-Freundschaft mit Carrie Fisher, der Darstellerin von Prinzessin Leia aus »Star Wars«. Durch deren Empfehlung findet sie eine Anstellung bei Havana Segrand, einer (fiktiven) Schauspielerin, die schon mal gefragter war und nun auf eine Rolle hofft, die ihre früh und tragisch verschiedene Mutter Clarice vor Dekaden gespielt hatte.

 

Dass die Tochter die Rolle der Mutter spielen will, um deren sehr realen Geist loszuwerden, bleibt nicht die einzige psychologisch beunruhigende Konstellation in David Cronenbergs »Maps to the Stars«, der Verfilmung eines Drehbuchs von Bruce Wagner.

 

Wie immer bei Cronenberg geht es auch hier um den Körper, die Angst vor dessen Unkontrollierbarkeit und darum, welche gesellschaftlichen Auswirkungen das hat. Anders als früher jedoch bricht sich diese Zerfallspanik nicht in explodierenden Köpfen oder grässlichen Mutationen Bahn, sondern zeigt sich nur noch vermittelt — etwa bei verstopfungsbedingten Furz-Orgien vor Bediensteten. Der ewige Satiriker Cronenberg spricht dabei sarkastisch wie selten über das Hier und Jetzt. 

 

Zum Niederknien ist wieder einmal die Konzentration und die Ökonomie der Inszenierung, deren Nacktheit: Hier gibt es kein Gestaltungsfett, kein Wort zu viel, keine dekorativen Details, keine Bewegungen im Bild oder des Bildes, die nicht unmittelbar relevant wären. Was das Kabinett aus Getriebenen, Verlorenen und in ihre Perversionen, Eitelkeiten und Verwundungen Verliebten noch monströser wirken lässt — verweigert ihnen Cronenberg so doch jegliche 08/15-Psycho-Ambivalenz, jeglichen Ausweg. Und dennoch ist er auf seine verschrobene Art ein wider alle Vernunftvorstellungen sehr hoffnungsvoller Mensch. Sonst würde Cronenberg nicht so interessiert und luzide vom Schlachtfeld der soziale Realität zu berichten wissen und nicht mit so viel Gnade auf seine Charaktere schauen.