Vierzig Typen von diesen Kölnern

Im Konjunktiv redet man in der Köln keineswegs miteinander, hier herrscht der Indikativ total. Offen und direkt seien die Kölner, so sagt man jedenfalls. Deswegen könnte man beim Lesen von »Vierzig Leben« meinen, dass Autor und Orientalist Navid Kermani eben doch nur Immi sei, sonst wüsste er es besser. 

 

Doch der in Köln lebende Schriftsteller hat mit seinem -schmalen Bändchen einen kleinen Geniestreich vollbracht. Ein Ich-Erzähler plaudert in ausschwei-fenden Sätzen, aus dem Leben von Menschen, die ihm selbst etwas erzählt haben oder über die ihm jemand erzählt hat. Was wir erfahren, ist nie das Direkte, sondern immer nur das konjunktivisch vom Hörensagen Weitergegebene, das Gehörte, Gedachte aus zweiter, dritter Hand. Natürlich ist jetzt der Hinweis auf Thomas Bernhard angebracht: Auch Kermani nutzt den Konjunktiv, um das Scheinbare in den Strudel der Spekulation zu ziehen. Und so erfahren wir allerlei von FC-Fans und Whiskytrinkern am Eigelstein, von Verliebten und Dunstabzugshaubenverkäuferinnen, von Anwälten und Filmvorführern, ohne jedoch zu wissen, wer hier eigentlich was erzählt und ob die reale Basis des Erzählten eigentlich im Alltag oder der Philosophie zu finden wäre; das alles geschieht mit einem herrlich beiläufigen Witz.

 

»Diese Geschichten suchen das Allgemeine im Besonderen, und umgekehrt«, erklärt Heinz-Simon Keller, der den Stoff nun erstmalig für die Bühne adaptiert. »Letztlich erzählen sie alle von der irrwitzigen Poesie des Lebens.« Für die Dramatisierung hat der Regisseur gemeinsam mit Marcus Seibert und Kermanis Unterstützung den Stoff auf vier Figuren, Antunn und Anke sowie zwei Freunde, eingedampft. »Wir wollten kein Lesestück machen. Deshalb haben wir zwischen diesen Protagonisten ein erzählerisches Beziehungs-geflecht gespannt, in dem sich alle Geschichten wieder finden.« Es ist, als wäre Kermanis Köln ein kollektiver Vierer-Kopf geworden, in dem ein Alltagswahnsinn gärt und brodelt, leicht und gewichtig, wenn auch nicht immer nüchtern. Zurecht darf man sich auf diese Uraufführung freuen.