Postmodernes Seelenfleisch

Adam Traynor inszeniert das Märchen »The Shadow« in stummen Bildern, die Chilly Gonzales vertont

Selbst wenn man wie Lucky Luke schneller als sein Schatten ziehen kann, wirklich los wird man ihn leider nicht. Diese Erfahrung macht auch der Professor aus Hans Christian Andersens »Der Schatten«. Zwar verlässt der ihn eines Tages, doch nach einigen Jahren kehrt er zurück, um ihm Schritt für Schritt die Seele zu stehlen.

 

»Der Schatten wird fleischlich«, erläutert Filmregisseur Adam Traynor, der das im 19. Jahrhundert populäre Doppelgängermotiv als Palimpsest verschiedener Künste und Kunstepochen inszeniert. »Weil es ein Märchen ist, hatte ich die Freiheit, mit der Form zu spielen«. Die Musik kommentiert, konterkariert und ironisiert die Handlung. Sie kommt von Wahlkölner Chilly Gonzales, der Musiker, der trotz klassischer Ausbildung seine Karriere als HipHop-Prankster begann. Für »The Shadow« hat er Elemente Romantischer Musik für ein Kammerorchester neuformuliert. »Es ist eine Mischung aus Film-Soundtrack, klassischer Musik und der typischen Soloklaviermusik von Chilly Gonzales«, so Traynor.

 

Kennengelernt haben sich die beiden in den Nuller Jahren über die HipHop-Puppenshow »Puppetmastaz«. Später spielte Gonzales die Hauptrolle in Traynors Film »Ivory Tower« um den ehemaligen Schach-Champion Hershell. »Eigentlich wollten Gonzo und ich aus dem Stoff von Andersen einen Film machen«, erzählt Adam Traynor. Aber dann sei die Anfrage des Schau--spiel Köln gekommen und aus dem Film- wurde ein Theaterprojekt.

 

Die Leinwand spielt trotzdem die tragende Rolle. Klassisches Schattenspiel und Elemente des Stummfilms prägen die visuelle Identität. Gestik und Dialogführung haben sich Traynor und seine Schauspieler aus dem Kino abgeschaut: »Wir haben so viele Stumm-filme wie möglich gesehen — von den Nibelungen bis zu Buster -Keaton«. Trotzdem sei das Stück keine Pastiche, sondern eine Neuformulierung, bei der Biographie und Fiktion lustvoll miteinander vermischt werden.

 

»Die Erzählung bezieht sich auf eine Episode aus Andersens Leben, in der er versucht hat, dem Sohn seines Mäzens seine Liebe zu gestehen«, führt Traynor aus. »Bei Andersen gibt es immer eine Ambiguität in den Geschlechterrollen«. Traynor hat die Hauptfigur und seinen Schatten unterschiedlichen Geschlechts besetzt, die Schnitte der Kostüme sind androgyn. Klingt, als amalgiere »The Shadow« die Formvielfalt der Postmoderne mit dem »Gender Trouble« unser aller Lebens.