Schätze auf Schmalfilm

Geschichte aus privater Perspektive: Die zweitägige Veranstaltung

Eine andere Erinnerung plädiert für ein Kölner Amateurfilmarchiv

Bei dem Wort Archiv wird der Kölner schnell nervös. Das riesige Loch am Waidmarkt klafft immer noch, der Schock über den partiellen Verlust der eigenen Geschichte sitzt tief, die Wut über die Fahrlässigkeit, die es dazu kommen ließ, schwelt weiter. Aber: Da ja nun ein neues Stadtarchiv entstehen muss, kann man dessen Konzeption auch als Gelegenheit betrachten. Dieser Gedan­ke steht hinter einem von Jeremia Carrara betreuten Programm, halb Symposium, halb Filmreihe, mit dem Titel: »Eine andere Erinnerung — Unsere Ge­­schichte mit den Augen des Amateurfilms«, das vom Filmclub 813 präsentiert wird. Im Zentrum der Veranstaltung steht die Sammlungstätigkeit des nationalen Familienfilm-Archivs in Bologna. Angeregt werden soll so die Etablierung einer ähnlichen Institution für die deutsche Familienfilmgeschichte im Rahmen des neu entstehenden Stadtarchivs.

 

Gegründet wurde das Archivio Nazionale del Film di Famiglia vor rund zwölf Jahren. Bewahrt und ausgewertet werden dort Amateurarbeiten, gedreht in erster Linie in den Schmalfilm-Formaten. Zu sehen ist in diesen Aufnahmen die Privatseite des 20. Jahrhunderts — das reicht von Urlaubserinnerungen und Szenen häuslichen Glücks bis hin zu Bildern, in denen sich die politischen Katastrophen so zeigen, wie man sie im »offiziellen« Kino nie zu sehen bekommt. Der Direktor des Archivio Nazionale del Film di Famiglia, Paolo Simoni, wird im Rahmen eines Seminars darlegen, was sich alles in diesen scheinbaren Marginalien finden lässt, wenn man nur weiß, wie man dieses Material betrachten kann.

 

Das wird anhand einiger Filme dann handfest demonstriert: »Come un canto« etwa rekonstruiert das Schaffen des Amateurfilm-Regisseurs Antonio Marchi, der in den 40er Jahren drehte. Das vielleicht faszinierendste Spektakel ist aber ein Zusammenschnitt der Filme der weltberühmten italienischen Zirkusfamilie Togni. Für ihr Heimkino dokumentierten sie nicht nur das eigene Leben, sondern fügten diese Bilder auch noch mit anderen Produktionen wie etwa Disney-Cartoons zu eigenen Programmen zusammen. Diese sind zum Teil als Ganzes erhalten, in manchmal allerdings völlig zerfallenem Zustand — was dem Ganzen den diskreten Charme von Instantavantgardekunst verleiht. Aus lokaler Perspektive besonders aufregend sollte schließlich »Congresso universale d’Esperanto a Colonia nel 1933« sein. Ein 25-minütiger Film des italienischen Journalisten Nicolò La Colla über den internationalen Esperanto-Kongress 1933 in Köln.