Home is where the sound is

Das dreitägige Festival Der Klang der imaginären Heimat präsentiert migrantisch geprägte Heimat­lieder der anderen Art

Der Begriff Heimat ist hierzulande durch die Nazis und ihre Nachgänger schwer in Verruf gebracht worden. Er wird bis heute meist mit Geschichtsrevisionismus oder sogar dumpfer Blut-&-Boden-Rhetorik assoziiert. Fakt ist, dass Deutschland schon seit vielen Jahren wieder zumindest geografische Heimat vieler verschiedener Ethnien ist: seit den Anwerbezeiten zwischen 1955 und 1972 etwa der Arbeitsmigranten und ihrer Kinder und Enkel. Ein dreitägiges Festival widmet sich anlässlich der  Vereinigungsfeierlichkeiten der komplexen Frage, was heute Heimat bedeutet. In Vorträgen und vor allem in Konzerten werden Antworten gesucht. Ziel der Festivalmacher ist es, »den Klang der Heimat nicht den Samstagabendshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen« zu überlassen.

 

Mit Louise Gray (NME/The Wire) und Kimberly da Costa Holton (Professorin an der Rutger University) hat man u.a. hochkarätige Vortragende geladen, die das Spannungsfeld Heimat und Musik erläutern werden. Eingeladen wurden aber auch Praktiker: Chöre und Bands etwa mit sogenanntem Migrationshintergrund aus Ländern die einen Anwerbevertrag mit der BRD oder der DDR hatten. Sie haben Lieder aus ihren Ursprungsländern mitgebracht, die Teil ihrer neuen deutschen Identität geworden sind. Dementsprechend werden sinnigerweise am Tag der deutschen Einheit u.a. kubanischer Son, portugiesischer Fado, kroatischer Klapa-Gesang, mosambikanischer Marrabenta oder Unesco-geschützter Quan- Ho-Gesang aus Vietnam zu hören sein. Die »Heimatlieder aus Deutschland« — als Programm bereits in Berlin und Neuss erfolgreich — werden von den Folklore-Adaptionen der albanisch-stämmigen Sängerin Elina Duni am zweiten Tag ergänzt. Mit viel unprätentiöser Einfühlsamkeit schafft die Barfußsängerin mit ihrem Quartett Gänsehautmomente.

 

Ganz anders verspricht das Konzert am dritten Tag zu werden: Wenn der niederländische Avant-Gitarrist Andy Moor von den ebenso legendären Amsterdamer Anarcho-Experimentalisten The Ex auf den zypriotischen Soundkünstler Yannis Kyriakides und den griechischen Cellisten Nikos Veliotis trifft und sie gemeinsam Rebetika und Folia bearbeiten. Moor spielt schon seit 1996 gemeinsam mit Tony Buck von den Necks als Kletka Red Klezmer griechische und russische Lieder. In den Drone-Landschaften der Niederlande-Zypern-Griechenland-Connection werden sich die Heimatklänge zwischen den Soundsplittern und den metallischen Gitarrenakkorden immer wieder neu formieren, um sich sogleich wieder aufzulösen. Vielleicht ein gutes Sinnbild für das diskursive Mäandern eines unverstandenen Begriffs.