»Ich zeige Ihnen, wie man fliegt!«

Er ist wieder en vogue: Eugène Ionesco, Meister des absurden Theaters.  Auch in Osteuropa, wo der französisch-rumänische Autor seine Hochzeit vor dem Zusammenbruch des Kommunismus hatte. Nicht ohne Grund: Ionescos Stücke wie »Die Stühle« oder »Die kahle Sängerin« handeln von der Widersinnigkeit des Alltags, sie spielen mit  den Absurditäten von Handlungen, sind Parabeln auf die grotesken Seiten des Lebens. Sie lassen viel Interpretationsraum zu, fordern den Zuschauer auf, die Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen zu lesen. Leise, aber beharrlich stellen Ionescos Texte immer wieder die Sinnfrage unserer täglichen Entscheidungen, ohne vordergründig allzu politisch zu werden. Angesichts restriktiver Duma-Theatergesetze und des russisch-ukrainischen Konflikts wird es also spannend, wenn die Kölner Theatermacherin Svetlana Fourer das bilaterale Projekt »Alltägliche Apokalypsen« mit dem mehrfach ausgezeichneten Moskauer Trikster Theater auf die Bühne des Freien Werkstatt Theaters bringt. Das Stück arbeitet mit Zitaten aus Interviews und Texten von Ionesco, thematisiert das große Thema Freiheit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und versteht sich als Experiment. Schattenspiel, Tanz und Theater werden vom Moskauer Regie-Duo Maria ­Litvinova und Viacheslav Ignatov miteinander verknüpft, der sprichwörtliche Rahmen wird zum ästhetischen Verbindungselement auf der Bühne, wird Sinnbild der Grenzen und Möglichkeiten innerer, aber auch gesellschaftlicher Räume. Was verstehen wir unter Freiheit, wie viel Freiheit trauen wir uns zu? »Diese Fragen sind richtig«, betont Regisseurin Svetlana Fourer; nicht nur angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen, sondern »auch für einen selbst, um sich nicht verleugnen zu müssen«. Konsequent daher auch der appellative Charakter des Stücks, ganz im Sinne des Meisters des Absurden: »Kommen Sie auf die Bühne: Ich zeige Ihnen, wie man fliegt!«