»Spielerisch, aber wirkungsvoll«

Das Festival Globalize:Cologne diskutiert das Verhältnis von Kunst und politischer Bewegung

Oft und gern klagt man in Köln über den Mangel an internationalem Austausch in der freien Szene. Doch zumindest temporär kann man entspannen. Es ist wieder soweit. Das Ensemble-Netzwerk der Freihandelszone lädt zu Globalize:Cologne. Dieses Jahr fragen die Theatermacher unter dem Motto »Barricades« nach der Rolle der Kunst in den arabischen und ukrainischen Frühlingen —  kurzum in der Revolution. Ein Gespräch mit dem künstlerischen Leiter Stefan Kraft.

 

Stefan, Ihr wollt auf die Barrikaden — zumindest künstlerisch. Was versprecht Ihr Euch davon?


Es wichtig, dass Menschen wieder physisch zusammenkommen. Auf dem Maidan, Taksim oder Tahir haben sie gezeigt, dass Politik auf die Straße gehört, wenn die Staatsgewalt so korrupt und autoritär ist.  Social Media spielt auch eine Rolle, das haben wir begriffen — um sich zu organisieren und zu erfahren, nicht allein zu sein. Richtige Kraft bekommt man aber erst dann, wenn man sich sieht und spürt. Dieses Erlebnis wollen wir vermitteln. Deswegen machen wir auch Theater. Wir glauben an die Präsenz von Menschen.

 

Lassen sich damit Regierungen stürzen?

Die Frage stellen wir beim Festival. Wir wollen wissen, ob die Kunst in Zeiten des Volkszorns eine Relevanz, eine Stimme hat oder eher zur Reflexion und Muße dient. Ich persönlich befürchte Letzteres, obwohl ich als Künstler natürlich eine große Sehnsucht danach habe, Menschen zu bewegen. Aber diese Fragen werden wir mit unseren Gästen aus Syrien, der Ukraine und Israel diskutieren, die alle aus (Bürger-)Kriegsländern kommen.

 

Dieses Jahr gibt es keine Podien, sondern Ihr habt »Tischgespräche« angekündigt. Ist das ein richtiges Format?

Ja. Uns sind die Performances genauso wichtig wie die Gespräche. Wir verstehen uns als Gastgeber, weniger als Kuratoren. Deswegen laden wir im Anschluss an die Aufführungen an eine lange Tafel in den Räumen der Freihandelszone. Erst wird gemeinsam gegessen und dann debattiert.

 

Über die Revolution?

Über die Frage »Was können wir tun, welche Möglichkeiten haben wir in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche?« Wir möchten keinen Kreis bilden, der sich selbst nur bestätigt, wie schlimm alles ist und freundlich den Abend abnickt.

 

Das könnte schwer werden. Im Vergleich zu den Massenprotesten in den Ländern, aus denen Ihr eingeladen habt, bewegt sich in Deutschland selten jemand, schon gar nicht auf die Straße.

Deswegen verlassen wir beim Festival auch immer wieder die Theaterräume, damit die Zuschauer auch auf der Straße die gemeinsame physische Präsenz als Statement spüren. Unter anderem gibt es eine inszenierte Demonstration von »Public Movement« auf dem Sudermanplatz.

 

Eine Performance-Gruppe aus Israel ...

Das sind Profis für den öffentlichen Raum. Sie machen sozusagen politisches Theater undercover. Auf ihrer »Demo« muss man sich permanent zwischen zwei Positionen entscheiden, die gegeneinander demonstrieren. Das ist sehr spielerisch, aber wirkungsvoll.

 

Dieses Jahr habt Ihr auch Aktivisten, Blogger und Schriftsteller eingeladen. Navid Kermani etwa und Serhij Zhadan, einer der populärsten Autoren der Ukraine, der im Westen mit seinem Roman »Depeche Mode« bekannt wurde.

Er spielt auch ein Konzert mit seiner Ska-Band »Sobaky w Kosmosi«. Aber es stimmt, es ist ein Crossover der Künste, das wir veranstalten. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Ausgabe von Theories ganz auf den Debatten und die möchten wir so breit wie möglich führen. Dazu gehört es eben auch, den Blick von Tanz und Theater zu lösen.