Baby im Bambushain

Animationsfilm: Die Legende der Prinzessin

Kaguya von Takahata Isao

Takahata Isao steht im Schatten seines alten Weggefährten Miyazaki Hayao (»Wie der Wind sich hebt«), mit dem er das Animationsstudio Ghibli gegründet hat. Vielleicht deshalb, weil er seinen Stil virtuos variiert, sich nie auf ein Thema festlegen lässt, zudem auf ebenso unauffällige wie lockere Weise immer experimentierfreudig bleibt. In jenen Jahren, in denen sein Kollege Miyazaki zum Weltstar wurde, hat sich Takahata von der Regie zurückgezogen, um sich anderen Zweigen des Ghibli-Betriebs zu widmen. Niemand erwartete mehr einen neuen Film von dieser Größe des japanischen Kinos. Letztes Jahr kam dann plötzlich die Ankündigung für den Start von »Die Legende der Prinzessin Kaguya« in Japan. Dass dieses berauschende, feinsinnige, allein vom wirklich Wesentlichen auf ganz einfache Weise sprechende Werk auch in Deutschland in die Kinos kommt, überrascht mindestens genauso.

 

Die Geschichte, die Takahata erzählt, ist in Japan allgemein geläufig. Der Holzfäller Okina findet in einem Bambushain, gebettet auf einen Schössling, ein winziges Mädchen, das er mit nach Hause nimmt. Seine Gattin Ona und er stellen bald zu ihrem Erstaunen fest, dass die Kleine rasant wächst und sich auch einige andere Dinge ändern — die alte Ona kann ihr zum Beispiel die Brust geben. Es dauert nicht lang, da ist aus Kaguya, wie ihre Pflegeeltern sie genannt haben, eine junge Frau geworden, die nun in die Hauptstadt ziehen und dort verheiratet werden soll.

 

Das Ende der Geschichte ist bestürzend in seiner Schicksalsschwere. Die Zeit bis zum Unvermeidlichen aber ist zum Bersten gefüllt mit Anekdoten, deren Ton mal volkstümlich und ein bisschen überbordend ausfällt, mal zart die leisesten Seelenregungen in den Figuren studiert. Bewunderungswürdig ist Takahatas Rhythmusgespür. »Die Legende der Prinzessin Kaguya« hat eine elegische Grundschwere, die einzelnen Episoden sind aber mit einer erstaunlichen Verve erzählt, einer Fabulierlust, die in einem außerordentlichen Interesse an den Figuren verwurzelt ist. Man hat immer wieder das Gefühl, Takahata würde von seinen eigenen Geschöpfen überrascht und ließe sich von deren Gefühlen mitreißen. Ähnlich Wundersames hat man dieses Jahr selten sehen können — und sicherlich erst recht keinen Film, den wirklich alle von acht bis achtzig Jahren lieben können.