Nach dem Goldrausch

Als feststand, dass die Popkomm ab 2004 in Berlin stattfinden wird, war die Aufregung groß. Nun wird der Frage nachgegangen, ob bzw. für wen das überhaupt ein Problem ist.

Die Popkomm war immer schon widersprüchlich: Als hurrakapitalistische Mainstream-Beschleunigungsmaschine initiiert, präsentierte die Musikindustrie-Messe abseits der entsprechend populistischen Großveranstaltungen wie dem Ringfest auch feinstes Konzert- und Clubprogramm, inklusive prestigeträchtiger Speerspitzen der jeweils gerade populären Minderheiten-Programme von Blumfeld bis Squarepusher.

Newcomer und Underground

Auf Menschen, die noch dem Independent-Gedanken anhängen, wirkte diese Kombination oft irritierend. Und auch die Selbstverständlichkeit, mit der andere von ihnen zum Pragmatismus fanden. Dabei basierte diese Allianz auf einem simplen Missverständnis: Die Popkomm versteht sich als Newcomer-Messe. Sie bietet auch kleineren Labels die Möglichkeit, sich zu vergleichsweise günstigen Konditionen zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen, und im Gegenzug erhält die Popkomm allseitig Zustimmung, breit gestreutes Interesse und den Nimbus des Unumgänglichen. Allerdings verkennt sie den ideellen Unterschied zwischen »Newcomer« und »Underground«: Ersteres bedeutet: »Demnächst so richtig erfolgreich, wichtiger Marktfaktor«, Zweiteres steht für – idealisiert gesprochen – »nicht um den Preis der künstlerischen Selbstbeschränkung erfolgreich sein wollen!« Wo aber der Unterschied zwischen beiden Konzepten durch die Popkomm-Politik eingeebnet wird, wird aus der Symbiose eine Synthese: Der »Underground« verinnerlicht die Marktgesetze.
Ergebnis für den nachdenklichen Endverbraucher: einerseits dreieinhalb Tage Vergnügungsstress und das gute Gefühl, in einer internationalen Metropole zu sein, andererseits latenter Ekel vor einer Fusion, die die Kulturindustrie-Strukturen der Goldrausch-90er repräsentiert. Das war der Stand der Dinge zwischen Mitte der 90er Jahre und 2001.

Weggang der Popkomm als Chance?

Im letzten Jahr wurde die Popkomm dann deutlich verkleinert – als Tribut an die Rezession im Allgemeinen und die (auch technologisch bedingte) Krise der Tonträgerindustrie im Besonderen. In der Folge hat Dieter Gorny, der den Veranstalter MusikKomm GmbH Anfang 2002 in die Viva-Media-AG überführt hatte, das gesamte Produkt an die Berliner Messe verkauft, und ist damit den Wünschen der Berliner Major-Labels nach- und eigenen größeren Verlusten zuvorgekommen. Die letzte Kölner Popkomm kam entsprechend lieblos und in jeder Hinsicht mager daher. Ob die Messe sich in Berlin zum Sterben bettet oder neu erblüht, hängt auch davon ab, ob sie den Weg der Pseudo-Verjüngung weiter verfolgt oder ein neues, dem Standort angemessenes Profil findet. An Letzteres mag hier wie dort allerdings kaum jemand glauben.
In Köln jedenfalls gibt es nur wenige Veranstalter, die der Popkomm nachtrauern. Rainer Michalke vom Stadtgarten gibt einen weit gehenden Konsens wieder, wenn er sagt: »Der Weggang der Popkomm ist für die Veranstalter kein herber Verlust, allenfalls für die Stadt insgesamt. Wenn in der Stadt genug Kraft da ist, das entstehende Loch mit etwas Neuem zu füllen – und ich behaupte, sie ist da –, dann wird es besser als vorher. Die Popkomm hatte ja kein übergreifendes ästhetisches, inhaltliches Konzept. Die Chance ist da, Köln künstlerisch international zu positionieren, wenn die Szene, die Musiker und Veranstalter das wirklich wollen und die Presse und z.B. der WDR das mittragen.«

Neue Konzepte: Elektronik-Festival pop+

Was zusammenkommt und was nicht, ist längst nicht spruchreif, aber dass die Lücke gefüllt werden soll, scheint ausgemacht. Manfred Post, der Pop-Referent des städtischen Kulturamts, plant mit dem ehemaligen Popkomm-Programmgestalter Manfred Tari sowie Ralph Christoph und Norbert Oberhaus vom Stadtgarten ein zweiwöchiges internationales Elektronik-Festival mit dem Arbeitstitel »Pop +«. In dessen Rahmen könnten lieb gewonnene Kölner-Traditionsmarken wie SOMA, Electro-Bunker und Summerstage ebenso Platz finden wie Musiker und Multimedia-Künstler aus aller Welt. Das renommierte Elektronik-Festival Sonar, das jährlich in Barcelona stattfindet, dient sicherlich als Vorbild; eine Kooperation ist angedacht. Die zahlreichen internationalen Vernetzungen und Kontakte der Kölner Musik-Aktivisten sollen integriert und genutzt werden. Als Ort ist die lange Schäl-Sick-Meile vom Jugendpark über den Tanzbrunnen ins Auge gefasst, eventuell sogar bis hinunter zur Essigfabrik. Zu finanzieren ist das alles natürlich nicht allein aus dem Etat des Pop-Referats, Sponsoren und Landesmittel sind angefragt. Äußerst prestigeträchtig (und somit geschäftsfähig) ist das ganze Vorhaben allemal. Ärgerlich und unverständlich – nicht nur in diesem Zusammenhang – ist allerdings, dass das Kulturamt, zu dem das Pop-Referat gehört, entgegen der schwarz-grünen Koalitionsvereinbarung gerade von 15,5 auf fünfeinhalb Stellen gekürzt worden ist.