Ruhe nach dem Sturm

Der Kölner Sparhaushalt ist verabschiedet, die Zustimmung des Regierungspräsidenten scheint bloße Formsache. Doch wo bleiben die erwarteten Proteste? Hat Schwarz-Grün alles richtig gemacht?

Kölns Grüne zeigten sich schwer begeistert. Der Kölner Haushaltsplan für die Jahre 2003 und 2004 sei »entgiftet« worden, bevor er am 29. Juli im Rat beschlossen wurde, tönte Ratsfraktionsvize Jörg Frank. Familienpass, Bibliotheken, die Förderung von kulturellen, sozialen und gesundheitspolitischen Einrichtungen hätten, entgegen den vorherigen Planungen, erhalten werden können (siehe auch StadtRevue 5/03 und 7/03). Sind also die schlimmsten der angedachten Sparschweinereien vom Tisch – dank der Grünen in der Stadtspitze?
Nicht ganz. Denn so manche Einrichtung teilt keineswegs den Optimismus der Grünen. So etwa das Bürgerzentrum Alte Feuerwache: Hier wird derzeit mit Gehaltsverzicht, Notentlassungen und Spenden versucht, die drohende Insolvenz abzuwenden.

Keine Steuern für Großunternehmen

Zudem wird nun nach 2004 wohl umso härter gespart. Schließlich will die Stadt 2006 einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen – so sieht es zumindest das Haushaltssicherungskonzept von Kämmerer Peter-Michael Soénius vor. Das wird nicht einfach sein: Bei Verabschiedung des Doppelhaushalts ging die Verwaltung davon aus, dass das Defizit in diesem und im nächsten Jahr jeweils rund 300 Mio. Euro betragen wird. Um diese Lücke zu schließen, müssten 2005 und 2006 – nach der Kommunalwahl – also jeweils 150 Mio. Euro eingespart werden. Wenn das Sparkonzept nicht scheitern soll.
Gespart werden kann jedoch nur bei der bereits stark verschlankten Verwaltung – und bei den freiwilligen Leistungen, die nur sechs bis sieben Prozent des Etats ausmachen. Es sei denn, die Einnahmen der Stadt – vor allem aus der Gewerbesteuer und aus Schlüsselzuweisungen des mehr als klammen Landes – erhöhten sich drastisch. Doch vorher müsste dafür die Konjunktur mächtig in Fahrt kommen und wohl auch die von Rot-Grün reformierte Steuergesetzgebung geändert werden. Die ermöglicht es nämlich Großunternehmen, ihre Bilanzen so schlechtzurechnen, dass sie keine Steuern mehr berappen müssen. Das gilt auch für Ford am Standort Köln, wie der ehemalige Chef der CDU-Ratsfraktion Rolf Bietmann unlängst beklagte.

Alle wollen sparen

79 Prozent der Deutschen sind laut einer aktuellen Emnid-Umfrage zum Verzicht bereit. Entpolitisierung und Individualisierung sind gesellschaftliche Mega-Trends. Und die von Sozialabbau Betroffenen sind in der Regel nur mühsam zu mobilisieren. Keine gute Vorraussetzung, um den Protest auf die Straße zu tragen. Das jahrelange mediale Sperrfeuer hat seine Wirkung nicht verfehlt: Alle – wirklich alle? – müssen sparen, fast alle wollen sparen. Warum dann auf die Straße gehen, etwa für ein paar lernbehinderte Jugendliche, die nicht mehr gefördert werden sollen? Wo einen doch gerade genug eigene Sorgen um Rente und Gesundheitsversorgung plagen?
Entsprechend schwach geblieben ist der bisher schlecht vernetzte Widerstand gegen die Streichungen. 1500 Kölner demonstrierten am 12. Juli gegen »Klüngel, Kürzungen, Kahlschlag«. Aufgerufen dazu hatte das Sozialforum, ein in der Gründungsphase befindliches Bündnis aus kirchlichen und sozialen Initiativen sowie einigen der üblichen linken Verdächtigen, auch aus den Reihen von Attac. 200 Demonstranten gelang es am 29. Juli, den Beginn der Ratssitzung zu verzögern. Hinzu kamen Klein-Demos von Nutzern und Mitarbeitern sozialer Einrichtungen. Zwar hatten Verbände und Inititativen die schwarz-grünen Sparpläne scharf kritisiert. Doch nun herrscht die Ruhe nach dem Sturm im Wasserglas.

Roters kein Sparkommissar

Und der Erfolg der Aktionen? »In Wirklichkeit«, moniert zu Recht Angela Bankert vom Kölner Sozialforum mit Blick auf den »entgifteten« Haushalt, »wird nur schnell wirkendes Gift durch schleichend wirkendes ersetzt.« Will meinen: Die Kürzungen sind nur zeitlich gestreckt worden. Und selbst das funktionierte nur mit Bilanzierungstricks in Sachen Doppelhaushalt. Denn Soénius verfährt offensichtlich nach dem Motto »Schöner malen mit unrealen Zahlen« – die von ihm genährte Hoffnung auf kurzfristig höhere Gewerbesteuereinnahmen ist reines Wunschdenken.
Erstmals musste Köln ein Haushaltssicherungskonzept beim Regierungspräsidenten vorlegen. Die Stadt steht damit nicht allein: Rund die Hälfte der Kommunen im Rheinland müssen 2003 einen Nothaushalt erstellen – doppelt so viele wie im Vorjahr. Ende des Monats wird die Bezirksregierung entscheiden, ob der Kölner Haushalt für 2003 und 2004 genehmigt wird.
Es schaut nicht schlecht aus für die Stadtoberen: Regierungspräsident Jürgen Roters (»Ich bin ja nicht der Sparkommissar der Stadt Köln«) hatte ihnen nach erster Sichtung der Unterlagen attestiert, der Haushalt sehe »nach einer seriösen Planung aus«. Bisher, so heißt es bei der Behörde, habe er seine Meinung nicht revidiert.

Info
Das Sozialforum Köln trifft sich jeden zweiten und vierten Montag im Monat um 19.30 Uhr in der Alten Feuerwache.
E-Mail: sozialforum-koeln@ web.de



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