Scheiß Jacket, scheiß Leben

Lauter Bäumen veröffentlichen nach zwölf Jahren ihr Debüt

Michael Kolepke ist einer der großen Haudegen der Kölner Indie-Kultur. Mit seinem Label Tumbleweed Records veröffentlicht er schon seit 1996 Platten von hiesigen Bands, die meistens dem Indierock, Experimentalpop oder Punk entstammen. Hier wird seit jeher die Gegenkultur zelebriert. Dass Kolepke nicht nur Musikfan und -stratege ist, sondern auch selbst Musik macht, war bis dato nur Wenigen bekannt. Dabei existiert seine Band, die auf den wunderbar verqueren Namen Lauter Bäumen hört auch schon seit zwölf Jahren. Allerdings mit langen Pausen und die meiste Zeit unterhalb des Radars der Öffentlichkeit.
Doch damit soll nun Schluss sein, im November veröffentlichen Lauter Bäumen ihr Debüt: ganz feist eine Doppel-Single mit vier Liedern. Und das nicht etwa auf dem hauseigenen Label, sondern — man höre und staune — bei dem renommierten Berliner Label Staatsakt (u.a. Ja Panik, PeterLicht, Die Sterne), das fast schon den Status innehat, der in den 90er Jahren dem Hamburger-Schule-Label L’age d’Or gebührte.

 

»Wir haben halt zwei Singles selber finanziert und ein Label gesucht, das uns ein Umfeld bietet, alles ganz bescheiden«, berichtet Michael. »Aber dass wir dann tatsächlich Staatsakt hinten draufstehen haben, ist echt Wahnsinn. Wir sind fast ausgeflippt als Maurice (Labelchef von Staatsakt, Anm. d. Verf.) meinte, dass wir das mit ihm zusammen machen können.«

 

Nicht ganz unverständlich, dass man bei Staatsakt Gefallen gefunden hat, denn der Sound der Kölner vereint Wiedersprüche und changiert zwischen Krach, Chaos und Lieblichkeit. Meist legen Keyboard (Nadine David), Bass (Luca Palazzari) und Schlagzeug (Carlo Palazzari) poppig-gefällige Teppiche, auf denen die Gitarre dreckige Lärmspuren hinterlässt und für Verstörung sorgt. Auch der zwischen der agitativen Dringlichkeit eines Peter Hein und der Verstrahltheit eines Hans Unstern chargierende Sprechgesang Kolepkes bietet jede Menge Widerhaken.

 

»Es ist einfach Rockmusik«, behauptet der Sänger und fügt hinzu: »Ich glaube, den anderen macht es in erster Linie totalen Spaß und daneben hat es für mich auch etwas Therapeutisches, Reinigendes.« Womit wir bei den Texten wären: Die wirken wie die schizophrenen Tiraden, die man bisweilen auf der Straße oder in der U-Bahn zu hören bekommt, von Menschen, deren Ansprechpartner nur vor dem eigenen geistigen Auge zu existieren scheint: »Und Hans, verdammt nochmal, du sitzt immer in dieser scheiß Kneipe hinten rechts, mit deinem scheiß Leben und deinem scheiß Jacket und deinem scheiß Schifferklavier.«