Karneval! Wir sind positiv bekloppt

Während der Karneval selbst nur zwei Optionen zulässt, nämlich ganz oder gar nicht, Feiern oder Flüchten, Schunkeln oder Schämen, lässt die filmische Annäherung eine dritte Möglichkeit zu: kontrollierte Beobachtung. Regisseur Claus Wischmann dehnt seine Betrachtung der sogenannten fünften Jahreszeit über das ganze Jahr aus und verfolgt ein halbes Dutzend Protagonisten des Fastelovends bei der Arbeit. Er zeigt die über 80-jährige Biggi Fahnenschreiber, die seit Jahrzehnten den verschiedensten Kölner Gruppen die Tanzschritte beibringt. Sowohl Dreigestirn als auch Funkenmariechen und schwule Tanzcorps werden von der beeindruckend elastischen Tänzerin mit Choreographien versorgt. Dass Biggi Fahnenschreiber heute so etwas wie die Vortänzerin der Stadt ist, war nicht immer so. Sie berichtet von erheblichen Widerständen und Vorbehalten des männlich dominierten Sitzungskarnevals.

 


Im weiteren Verlauf des Films wird deutlich, dass sich am Geschlechterverhältnis im Karneval nicht viel geändert hat: Bis auf die Frau eines Kneipenwirts sind alle weiteren Protagonisten des Films männlich. So wie der Justizvollzugsamtsinspektor Ralf Knoblich, der als »Knubbelisch« im Frauentrakt der JVA Ossendorf an Weiberfastnacht für Stimmung sorgt. So wie Tobias Eschweiler, der, von seinem Vater als »zu weich« befunden, von ebendiesem mit Nachdruck in die Bütt geschoben wird. Dass väterlicher Ehrgeiz den Mangel an Talent nicht wettmacht, wird dem Ärmsten beim Vorsprechen dann unmissverständlich klar gemacht. Etwas besser ergeht es seinem noch jüngeren Kollegen Stefan Dahm, der davon profitiert, dass singende Kinder auch in Karnevalssitzungen als niedlich durchgehen. Bis zur Pubertät wird die Nachwuchshoffnung auf diesem Ticket unterwegs sein können, so lange kann der Vater mit der Türstehergesichtsbräune und Pferdeschwanz seinen Sohn im aufgemotzten Van von Sitzung zu Sitzung chauffieren.

 


Ob es seinem Kleinen Spaß macht, werden wir in diesem Film nicht erfahren, denn Wischmann enthält sich konsequent eines Kommentars. Und so sind viele Szenen so deprimierend und desillusionierend wie ein Rosenmontagszug ohne Kölsch. Die beste Stimmung kommt zu Beginn dieses genau beobachtenden Films auf, wenn Wischmann Szenen des Straßenkarnevals kunstvoll montiert und zur Musik schneidet — zu Walzer.