»Wo ist der Sinn hin?«

Die Acting Accomplices zeigen sich in

»Der Freund krank« doppelbödig

In farbigen, schimmernden Anzügen fegen Jean Paul Baeck, Jonas Baeck und Marius Bechen über die Bühne. Sie fallen sich ins Wort, laufen und springen in Sketch-Manier herum. Regisseur Thomas Ulrich hat die Idee der Frankfurter Uraufführung aufgegriffen. Er lässt  Nis-Momme Stockmanns  zerrissenen Ich-Erzähler von drei Schauspielern verkörpern. Eine kluge Lösung, um die ambivalente Innenansicht  des  Heimkehrers umsetzen.

 


Weit weg in der Metropole hat er es zu etwas gebracht, jetzt muss er sich den Zurückgebliebenen stellen. Die hassen ihn wie die Pest. Nicht grundlos. Er ist am Ausverkauf ihres kleines Städtchens an der B 1 beteiligt. Der lokale Arbeitgeber, die Aromafabrik, deren verschiedene Düfte den Ort umhüllen, schließt. Er profitiert davon. Gekommen ist der namenlose Mann aber nur, weil sein Jugendfreund Mirko apathisch vor sich hinvegetiert. Als gebastelte Menschenpuppe liegt der Freund schwer atmend auf der Bühne. Nora wickelt den Kranken. »Wo ist denn der ganze Sinn hin?«, fragt sie. Sie erwartet ein Kind von ihm. Sie ist es auch, die den Protagonisten bleiben lässt — eine Jugendliebe.

 


Schauspielerin Lisa Bihl als Nora bildet den Kontrast  zum Tripple-Ich in Standup-Manier. Als überforderte Schwangere liefert sie eine erstaunlich bewegende Performance. Das Switchen von ulkig zu ernst, das Jonas Baeck am sichersten beherrscht, geht manchmal auf Kosten des Abgründigen.

 


Sowieso sprüht die Regie vor Ideen. Mit einfachsten Mitteln wird jede Szene satt komponiert. Sounddesigner Julius Richter untermalt das Treiben. Jedoch wäre hier und da weniger mehr gewesen. Die aufwendigen Animationen, die den Ich-Erzähler albtraumhaft in seine Vergangenheit schleudern, wirken überfrachtet. Immer wieder gibt es aber ausgeklügelte Bilder, die filmische Imaginationsräume entstehen lassen. Etwa die Beerdigung von Noras Bekannten nach deren Selbstmord, bei der die Bewohner dem »Ich«-Protagonisten eisig gegenübertreten.

 


Die Dinge im Außen deutet der Text dabei nur in Versatzstücken an: die Arbeitslosen, den wortkargen Trinker Trullmann, die rechtsradikale Moped-Gang, die Nora auflauert. Vielmehr ist Stockmanns Ich-Monolog eine riesige Rechtfertigungs- und Bewältigungsfantasie, die Köln einen vielschichtigen und intensiven Abend beschert.