Big Bizness

Das Comeback eines der Heroen des Old-School-HipHops wird in Köln organisiert. Uh-Young Kim über die Synergie zwischen der Stimmungskanone Biz Markie und der kölschen HipHop-Plattform Groove Attack

 

Warum kann man mit DJs nicht telefonieren? Antwort: Weil sie immer auflegen. Und was machen sie tagsüber? Im Zweifelsfall bei Groove Attack arbeiten. Am letzten Freitag im Oktober herrscht Wochenendstimmung im Gebäude 31 im Mülheimer Industriegebiet an der Schanzenstraße. Während im Ghettoblaster Death Metal läuft, verpacken Lagerarbeiter gerade die letzten Stapel von insgesamt 25.000 Exemplaren des Albums »Weekend Warrior«. Darauf meldet sich die 80er Jahre-Rap-Ikone zurück, die in den 90ern lieber DJ war und nun unter dem Banner von Groove Attack wieder das Mikrofon ergriffen hat: Biz Markie.
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Groove Attack mit Biz Markie das bisher gelungenste Comeback eines Old-School-Rappers in die Wege geleitet hat. HipHop-Magazine übertreffen sich in Titelgeschichten vor kultischer Verehrung, auch die bekannten Pop-Medien ziehen vor dem Kuriosum ihren Hut.
Nach über zehn Jahren legt Biz Markie ein Album vor, das nahtlos an seine Klassiker wie »The Biz never sleeps« oder »I need a Haircut« anschließt. Als ob die HipHop-Kultur nie zu dem Millionengeschäft geworden ist, das sie immer öfter wie ihre eigene Karikatur aussehen lässt. Vielleicht gab es nie eine bessere Zeit für den Biz, um aus der Versenkung aufzutauchen, hat er doch seit Mitte der 80er Jahre wie kein Zweiter die parodistische Seite im HipHop geprägt. Neu ist allerdings, dass die Abenteuer des Lieblingsraponkels von einem in Köln ansässigen Label veröffentlicht werden.
Erleichtert hält Frank Stratmann, einer der Geschäftsführer von Groove Attack, das fertige Produkt in den Händen. Nach zwei Jahren mit verschobenen Veröffentlichtlichungsterminen, ständig geänderten Tracklistings, Klären von Samplerechten, einer Reihe abgesagter Interviews etc. hofft er, dass die Nerven nicht umsonst blank gelegen haben: »Weekend Warrior« könnte tatsächlich zu einem der größten Schritte in der Firmengeschichte werden.
Stratmann gehört seit den Kölner Tagen zum harten Kern der Firma. Angefangen hat alles Anfang der 90er im Wuppertaler Club Beatbox und der gleichnamigen Booking Agentur, die amerikanische Acts wie Son Of Bezerk oder Gang Starr erstmalig auf deutsche Bühnen brachte. Schon hier zeichnet sich die Do-It-Yourself-Philosophie von Groove Attack ab: Wenn sich keiner um deine Lieblingsmusik kümmert, mach es am besten selbst.
Zur Keimzelle der Firma gehörte ebenso der Plattenladen Groove Attack, zu dem damals auch kölsche Soulbrüder pilgerten. Die lockten den Laden 1992 nach Köln. Nach drei Umzügen konnten sich vor zwei Jahren Großhandel, Vertrieb und Label auf der schäl Sick zwischen Harald-Schmidt-Show und E-Werk breit machen.
War der Plattenladen in der Maastrichter Straße das Standbein, so hat mit den Jahren der Großhandel diese Rolle übernommen. Für HipHop-Tonträger wurde dieser im Laufe einer Dekade zum wichtigsten kontinentalen Umschlagplatz, für Funk, Deep House, Electronica etc. zum kompetenten Anbieter und für Drum and Bass zur einzig verbliebenen Vinylquelle in Deutschland.
Mit dem Boom von Deutschrap kam Ende der 90er für Vertrieb und Großhandel die größte Wachstumsphase – und mit seinem Ende auch der größte Einbruch. Konnte 1999 noch Kool Savas und sein kontroverser Battle-Rap etabliert oder 2001 Jan Delay und sein politischer Roots-Reggae bis auf Nr. 12 der Album-Charts vertrieblich gestreut werden, ging der Umsatz im Folgejahr um 30 Prozent zurück. Von den fast hundert Angestellten und Aushilfen musste die Hälfte gehen.
Aus der Sicht von Frank sind nicht alleine CD-Brenner schuld an der Krise. Diese sei auch im Vinylbereich zu spüren gewesen, auf den sich Groove Attack spezialisiert hat. Dem Geschäft schadete vor allem die Flut an mittelmäßigen und schlechten Produkten. Mit dem Trumpf Biz Markie im Ärmel sieht er schon wieder Licht am Ende des Tunnels: »Wer die Krise überlebt, geht gestärkt daraus hervor. Es fand eine Marktbereinigung statt. In den nächsten Jahren wird viel weniger Musik veröffentlicht werden. Die Majors konzentrieren sich nur noch auf Acts, die mindestens Platin holen. Dadurch sind viele Acts frei, die zu klein für einen Major sind, für einen Indie wie uns aber super groß.« So ist z. B. eine Gruppe wie De La Soul schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem neuen Label ...
Mit der Superrappin-Reihe streckte Groove Attack zum ersten Mal die Fühler im internationalen, d. h. U.S.-Markt aus. Gemeinsam mit Tommy Boy als Lizenzpartner für die Staaten wurde nun eine der letzten Persönlichkeiten im HipHop für drei Alben verpflichtet: Biz Markie ist der Klassenclown von der Hinterbank der Old School.
1985 stieß er zur New Yorker Urformation Juice Crew. An der Seite von Queens-Rapperin Roxanne Shante entwickelte er seinen Stil aus schiefem Gesang, sabbernder Metrik, Ganzkörperbeatboxing, Toilettenreimen und Breakbeatrosinen. Manchmal stand er in Frauenklamotten im Apollo Club rum. Die junge HipHopkultur hatte ihren ersten Exzentriker, einen Mad Man zum Knuffen. Die Hollywoodisierung seines Kultstatus erfuhr der Freund von Will Smith letztes Jahr in »Men In Black II«, als er einen Auftritt als beatboxender Außerirdischer hatte.
Für die Fotoserie von »Weekend Warrior« hat sich der fast Vierzigjährige als Indianerhäuptling, Zulukönig und Sumoringer verkleidet. Biz ist ein großes Kind inklusive Spielzeugsammlung. Besonders stolz ist er auf seinen kniehohen Godzilla, der Feuer spucken kann. Mit der Aufregung eines Drittklässlers und der Nerdigkeit eines Archivars herrscht er über ein Reich aus Bergen von Turnschuhen, Pausenbrotdosen, musealen Videospielen, Reihen von Martial-Arts-Filmen, prähistorischen Mixtapes und (bereits ausgemisteten) 70.000 Singles sowie 50.000 Alben.
In der Vergangenheit schwelgt er auch auf einem Großteil des Albums. Mit »Back in the day«-Nostalgie stilisiert Biz Markie die Reagan-Ära als romantisierten Schauplatz einer verlorenen Kindheit. Zweifelsohne strahlt in den Erinnerungsketten und simplen, in Soulmusik getränkten Beats sein Glamour am stärksten. Im Schein dieser Originalität outet sich auch Rapmogul P. Diddy als Fan und gibt ein paar Gastverse zum Besten. Auf den aktuellen HipHop-Standards entsprechenden Stücken allerdings wird klar, dass Welten zwischen dem aus der Soulgeneration stammenden Maskottchen von Raps golden era und den Megastars des heutigen Action-HipHop-Zirkus liegen.
Ein Rezensent verglich ihn neulich mit Homer Simpson, und tatsächlich erinnern Körperumfang und nölende Stimme an den exemplarischen Antihelden Nordamerikas. Auch die tragische Seite teilen sie. Im Zuge des drittem Albums »I Need A Haircut« kam es 1991 zum Präzedenzfall um den Urheberrechtsschutz von Samples. Wegen eines unbezahlten Samples von Gilbert O’Sullivan musste das Album zurückgezogen werden. Mit Biz’ Rapkarriere ging es bergab. Zwar tauchte er mal als Gastrapper der Rolling Stones oder von Fünf Sterne Deluxe auf, aber sonst existierte er nur noch in Referenzreimen der Beastie Boys.
Sein Geld hat er in der Zwischenzeit als DJ der Celebrities verdient. Wo auch immer sich die Crème afroamerikanischer Entertainer zum Feiern trifft, heißt der Mann ihres Vertrauens Biz Markie. So brachte er bereits den Geburtstag von Diana Ross, die Villa von Eddie Murphy oder After-Fight-Partys von Mike Tyson zum Kochen. Auf der Hauptbühne des diesjährigen Splash-Festivals in Chemnitz zog der Hypeman vor 25.000 verdutzten Rucksackkids seine berüchtigte DJ-Show im Sitzen durch – bis die Spätgeborenen lauthals seinen ‘89er-Hit »Just A Friend« mitgröhlten.
Die Chancen stehen gut, dass auch die aktuelle Fortsetzung »Friends« ein Klassiker wird, ist es doch aus drei Urzutaten eines Hits gebacken: einem Sample aus »Lovely Day« von Bill Withers, dem Refrain von Wars »Why Can’t We Be Friends« und dem beiläufigsten Storytelling vom Block: »I saw this girl from around the way...« Der Biz halt.

Info
Biz Markie, »Weekend Warrior« ist bereits bei Groove Attack erschienen.