VIVA Colonia

Rückblick auf einen Kölner Sender, der sich sehr verändert hat

 

Pop ist eine undankbare Branche. Die Formel »Here today, gone tomorrow« gehörte schon immer zum Geschäft. In Zeiten rapide sinkender Umsätze der Musikindustrie sind die Verdienste von gestern noch schneller vergessen. Diese schmerzliche Erfahrung muss der Köln-Mülheimer Musiksender Viva, der am 1. Dezember 1993 seinen Betrieb aufnahm, ausgerechnet zum zehnten Jubiläum machen. Statt salbungsvoller Rückblicke auf große Verdienste für den Musikstandort Deutschland hagelt es nur miese Presse. »Sonnenkönig ohne Sonne« scherzte die Süddeutsche Zeitung bereits im Juli über die wachsenden Probleme von Vorstandschef und Viva-Gründer Dieter Gorny. Und pünktlich zu den Jubelfeiern setzte es eine Breitseite aus Hamburg: »Führungskrise bei Viva« betitelte der Spiegel seinen Text über den vom Aufsichtsrat eingesetzten neuen Fernsehvorstand des »wirtschaftlich strauchelnden Musiksenderkonzerns«. Katzenjammer statt Partystimmung.

Controlling statt Experimente

Atmosphärisch herrschen bereits länger Mollklänge vor. Zwar werkelte die Viva Media AG nach ihrem Börsengang im Vergleich zu anderen New-Economy-Firmen einigermaßen solide – der Aktienwert hat sich seit Sommer 2000 ›nur‹ halbiert –, doch nach dem Ende von Viva Zwei schien die kreative Energie verpufft. Seit den Anfangstagen hatte Viva als lustiger Praktikanten-Staat gegolten, in dem hungrige Medien-Newcomer für wenig Geld freiwillig viel Arbeit erledigten. Doch unter dem Druck der vierteljährlichen Bilanzen zog eine grimmige Controller-Mentalität in die damalige Zentrale im Mediapark ein. Nicht mehr Jessica Schwarz, Bibiana Ballbé Serra oder Redakteure mit Acid-Jazz-Bärten bestimmten die Aura des Senders im Kölner Kneipenleben, sondern die Anekdoten der Gefeuerten.
Die Zeit der verrückten Experimente war vorbei. Ideen und Talente wurden wegrationalisiert. Neuerungen in der Popmusik galten nur noch als Quotenkiller. Die mittlerweile auch an Pro7 weitergereichte Moderatorin Charlotte Roche war die letzte wesentliche ›Entwicklung‹ des einstigen
Musiksenders, bevor sich der professionelle Comedy-Zynismus des Fusionspartners Brainpool AG (»Ladykracher«, »TV Total«) unter Content-Vorstand Jörg Grabosch durchsetzen konnte.

Recycling statt Entwicklung

Schmalspur-Spaßmacher wie Oliver Pocher sind Produkte einer Konzernidee, die Viva lediglich als Gewächshaus für das große Kommerzfernsehen betrachtet. Time Warner beteiligte sich Ende 2001 für immerhin 30 Millionen Euro am Viva-Zwei-Nachfolger Viva Plus – ein Projekt, das bekanntlich schon acht Monate später in einem Fiasko endete. Wenn der US-Konzern nun Rendite für sein Investment sehen will, läuft das auf einen Komplettumbau der alten Strukturen hinaus.
Eine ernüchternde Bilanz zum Zehnjährigen von Viva lautet daher, dass sich mit Musikfernsehen alter Schule kein Geld mehr verdienen lässt. Neue Nischenformate wie etwa die Gothic-Sendung »Schattenreich« werden mittlerweile nur noch vom kleinen Kölner Konkurrenzsender Onyx entwickelt. Wohin die Reise dagegen im Hause Viva geht, das deutet eine beiläufige Meldung an, die Ende Oktober 2003 durch die Mediendienste tickerte: Auf dem Karibik-Traumschiff Aida wird die Anbaggershow »Blind Date« aufgezeichnet. Rund um Weihnachten geht die Kuppelshow in Bikini und Shorts auf Sendung. Fernsehalltag in Deutschland. Merkwürdig nur, dass die große US-Konkurrenz MTV seit ein, zwei Jahren mit »Dismissed« ein erfolgreiches und sehr ähnliches Kampf-Flirten ausstrahlt. Ein branchenüblicher Fall von Ideen-Recycling. In der Pharma-Industrie nennt sich dieses Kosten sparende Kopieren von Konkurrenz-Produkten Generika.

Mangas statt Musik

Endgültig vorbei sind also die Zeiten, in denen Viva so schwungvoll war, dass die zum Viacom-Konzern gehörende MTV-Gruppe von ihrem Pop-Imperialismus abschwören und regionale Strukturen aufbauen musste. Es folgte ein fast schon paranoides Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden TV-Stationen. Mal wollte Viva-Chef Gorny mit seinen zwei Kanälen MTV »in die Zange nehmen«. Dann lotste Ex-Viva-Mann und Jetzt-MTV-Programmchef Elmar Giglinger einen ganzen Schwung fähiger Redakteure von Köln nach München. Noch bis zum Börsengang der Viva Media AG schienen sich beide Unternehmen auf Augenhöhe zu begegnen. Die Expansionsschlacht um Europa, die Viva bis heute in seinen Investoren-Broschüren andeutet, hätte eigentlich beginnen können.
Doch das Glück der Aufbaujahre war verflogen. MTV punktete mit den »Osbournes«, gebratener Kotze bei »Jackass« und der Erkenntnis, das die offizielle Quotenprüfung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) eine völlig andere Strategie erfordert. Bei den jüngsten MTV-European Music Awards in Edinburgh spielte die Musikbranche hinter den großen Sponsoren nur die zweite Geige – eine Entwicklung, der Viva nun hinterherhechelt. MTV sendet japanische Mangas. Viva auch. MTV verabschiedet sich von Musiknischen. Viva kauft Ali G. und alte »Southpark«-Folgen. Statt Praktikantinnen mit Bauchnabel-Piercing werden künftig wohl nur noch ausgemusterte Serieneinkäufer von SAT.1 an den Rhein ziehen.

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