»Staub« im Kunstverein

Alles lässt sich benennen. Nichts ist unbekannt oder unleserlich. Stilleben, Dinge, Portraits einzelner Personen, Innenräume, nichts Besonderes oder gar Spektakuläres zeigen die Aufnahmen Annette Kelms. Alles liegt offen, alles wird klar und deutlich gezeigt. In ihren Aufnahmen betreibt die Fotografin eine fast demonstrative Offenlegung der Bedingungen des Bildes.

 

Dreißig, mehrheitlich in den letzten drei, vier Jahren entstandene Arbeiten der 1975 geborenen Künstlerin zeigt der Kölnische Kunstverein. Sie alle zeichnet einnehmende Nüchternheit, beiläufige Präzision aus. Gleichmäßiges Licht, keine Schatten, vermeintlich neutrale Raumarrangements wie aus dem Lehrbuch der Objektfotografie. Der Kamerablick platziert Dinge und Personen im Bildzentrum. Jedes Detail ist bedacht. Alles könnte von Bedeutung sein, nur will sich nichts zu einem schlüssigen Sinngewebe verdichten. Was hat es auf sich mit der jungen auf dem Studioboden sitzenden Frau? Der titelgebende Aufdruck ihres T-Shirts »J’aime Paris« fällt ebenso ins Auge wie die langen Zweige einer exotischen Pflanze, die sie in der Hand hält. Die drei Variationen des Motivs bilden eine kurze, zum vergleichenden Hin- und Hersehen animierende Sequenz. Ebenso real und selbstverständlich wie zugleich merkwürdig und unergründlich erscheint diese Bilderfolge.

 

Blumen und Pflanzen sind eine häufige Bildzutat, gemusterte Textilien, Papiere füllen den Hintergrund. Aber was heißt Hintergrund, wenn dieser sich selbstständig macht und mit den eindeutig davor befindlichen Dingen ein Gewebe eigener Art bildet? Wenn sich die Reste verblühter Tulpen mit kalligraphischen Schnörkeln eines eigenartigen Stoffmusters im Hintergrund mischen, zu dem auch klare räumliche Konstruktionen gehören, denen bald alle Aufmerksamkeit gilt? Alles ist, was es ist, und doch ereignet sich mit jedem Bild ein Entgleiten. Als hätte sich im Akt des Fotografierens eine Verwandlung ereignet, die das vor der Kamera Befindliche in eine dem Auge zugängliche Form bringt, die sich aber dem verstehenssüchtigen Denken in faszinierender Weise widersetzt.