Wetternde Penisse

Regisseur Daniel Schüßler macht den Gendertrouble auf der Bühne

Selbst Glotzen ist Männerrecht. Die Männlichkeit hat es über die Jahrtausende in jeden Winkel geschafft. Das wieder aufzuheben, dazu bedürfte es das Original des Geschlechts aufzulösen. So ähnlich würde jedenfalls Literaturwissenschaftlerin Judith Butler argumentieren. Dessen unverwechselbar authentische Identität gebe es nämlich nicht. Unsere Körper und unser Verhalten werde in Dualismen gelabelt: männlich-dominant vs. verständnisvoll, gestählt vs. weiblich-rund etc.. So liest es sich in Butlers postmodernem Klassiker »Gendertrouble«, dessen Titel sich Regisseur Daniel Schüßler
für seine Post-Gender-Revue geliehen hat.

 

Zunächst geht es im Theatersaal wie im echten Leben zu. Kaum da, wird man gleich in eine Schublade gesteckt. Dazu bekommt der Zuschauer eine Nummer und wird gruppiert. Frau Nummer 32: »Du musst reinlich sein und darfst nicht furzen.« Mann Nummer 61: »Du musst hart arbeiten und darfst Haare am ganzen Körper haben.« Dorothea Förtsch, Ingmar Skrinjar und Tomasso Tessitori geben im Diktator-Tonfall das Sprachrohr der Gesellschaft. Später werden die Schauspieler zu Moderatoren einer Gameshow, tanzen performative Gesten, breitbeinig-phallisch oder eine Monroe-Pose etwa, in denen wir zu Mann oder Frau werden.

 

Zwischendrin präsentieren sie die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherche. Stellvertretend berichten die Drei von einem Kindergärtner unter Generalverdacht, der Kinder nicht mehr auf den Schoß nehmen darf oder einer Mannfrau aus Albanien, die als Familien-Patriarch frei in der Unfreiheit lebt. Neben diesen berührend intimen Einblicken, wird es immer wieder urkomisch: Dorothea Förtsch wettert als Riesenpenis gegen den Feminismus, Tessitori performt eine Geburt oder Skrinjar gibt ein Vagina-Belebungs-Seminar.

 

Das ironisch diskursive Feuer kühlt allerdings ab, da die Inszenierung in Statements verharrt: »Die Biologie ist der neue Sexismus« oder »Geschlechter sind inszeniert.« Spannender wäre es, in die Diskussion mit den Evolutionsforschern zu gehen, die im Gegensatz zu Butler, Frauen und Männer als homogene Gruppe sehen, deren Grundlage eine gemeinsame weibliche oder männliche Identität ist. Aber auch ohne amtlichen »Trouble« gelingt es dieser, auch dramaturgisch, konzentrierten Arbeit mit ihren ideenreichen und witzigen Regieeinfällen, die gesellschaftliche Matrix der Geschlechter aufzubrechen. Das ist inspirierend und zeigt: Wir sind hier lange nicht am Ende.