Snowdens Vorfahr: CIA-Einbruch in »1971«

Stranger Than Fiction

Am 23. Januar startet die 17. Ausgabe des Dokumentarfilmfestivals

Irgendwann wirft Corneliu Porumboiu ein, dass dieses Fußballspiel wie einer seiner Filme sei: »langatmig, nichts passiert«. Gemeint ist das Bukarester Derby Steaua gegen Dinamo aus dem Jahr 1988, das in »The Second Game« ungekürzt zu sehen ist. Die beiden führenden Clubs des Landes repräsentierten im Ceausescu-Regime zentrale Machtgruppen: Armee und Polizeiapparat. Für den Filmemacher (»Police, Adjective«) hat die Partie besondere Bedeutung: Sein Vater war der Schiedsrichter des Spiels. Den damaligen Referee hört man im Off mit dem Sohn über Veränderungen in Sport und Gesellschaft plaudern, während auf den alten TV-Bildern die Spieler bei unaufhörlichem Schneefall dem Ball hinterher schlittern. Das ergibt eine ebenso subtile wie befremdliche Meditation über das Verstreichen der Zeit, die dem Titel des Kölner Dokumentarfilmfestes Stranger Than Fiction alle Ehre macht. 

 

Die Relevanz der Vergangenheit ist dagegen in »1971« sofort offenkundig. Der Film stellt vier historische Vorreiter Edward Snowdens vor. Johanna Hamilton rekonstruiert mit gängigen dokumentarischen Mitteln einen Einbruch, der vor 43 Jahren die illegalen Überwachungsmethoden des FBI publik machte. Da die effiziente Form des Films keinerlei Aufmerksamkeit auf sich selbst lenkt, kann das Herzstück dieses Films — die Interviews mit den bis dato unbekannt gebliebenen Antikriegsaktivisten — umso nachdrücklicher wirken.

 

In die Zukunft weist wiederum der Auszug aus einer Studie über globale Machtverschiebungen, mit dem »I Want to See the Manager« beginnt. Hannes Langs Film umspannt den ganzen Globus, wobei in Bolivien und Peking Menschen ihre Hoffnungen auf den individuellen und kollektiven Aufstieg äußern, während man in Pompeii und Detroit auf bizarre Weise mit der Wiederbelebung der Vergangenheit beschäftigt scheint. Ihren Reiz gewinnen die Episoden aus einer Perspektive, die den Beobachtungsgegenstand in durchkomponierten Totalen regelmäßig auf Distanz hält.

 

Ganz in unserer Nähe liegt dagegen das Viertel, dem »Am Kölnberg« den Titel verdankt. Robin Humboldt und Laurentia Genske haben an dem so genannten sozialen Brennpunkt eine ebenso schonungslose wie diskrete Langzeitbeobachtung von vier Bewohnern gedreht. Ein Höhepunkt des Festivals. 

 

Text: Holger Römers

 


Fr 23.1.-So 1.2., Filmpalette, Filmforum im Museum Ludwig.


Infos: strangerthanfiction-nrw.de

 

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