Soft-Sampling im Deutzer Hafen

Das Debütalbum von »Barnt« ist erschienen

Daniel Ansorge, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Barnt, hat mit Hits wie »Geffen« und »Tunsten« die Clubkultur in den letzten Jahren befreiend bereichert. Statt der bei vielen Produzenten präsenten ängstlichen Engstirnigkeit atmen seine Tracks den Geist der Improvisation. Sie  verbinden die offenen Strukturen von Krautrock, die Eleganz von Klassik und die Körperlichkeit von Techno zu einer einnehmenden Klangerfahrung.

 

Ob mir Kälte etwas ausmachen würde, fragt mich Daniel Ansorge gleich an der Eingangstür zu seiner Wohnung im Deutzer Hafen. Er sei gestern nämlich erst sehr spät abends von seinem Auftritt im Amsterdamer Trouw Club zurückgekehrt und noch nicht dazu gekommen, den Kohleofen anzuwerfen. Gemeinsam mit einigen Freunde lebt er seit einigen Jahren auf dem Hafenareal in selbst ausgebauten Häusern und Lagerhallen. Sicherlich nicht privilegiert, was den Wohnkomfort angeht, aber offensichtlich überaus stimulierend, was den künstlerischen Output betrifft: Zu den Nachbarn gehört u.a. sein Magazine Labelpartner Jens-Uwe Beyer, der als Popnoname auf Kompakt veröffentlicht, und seinen Mitbewohner Matt Karmil kann man von Tim Sweeneys Label Beats in Space kennen.

 


Das alles ist wichtig, um den speziellen Sound zu verstehen, den Ansorge mit Barnt kultiviert. Ebenso wichtig wie sein eigener Weg dahin. Als er vor drei Jahren das Stück »What Is a Number, That a Man May Know It?«, und dann auf Matias Aguayos Label Comeme »Geffen« veröffentlicht, setzt ein Beben in seinem bis dato beschaulichen Leben ein. War er zuvor als DJ kaum außerhalb von Köln und Düsseldorf gebucht worden, »ging die Nachfrage nach mir plötzlich sehr heftig hoch«, erinnert sich Ansorge. »Im Nachhinein war es gut, dass ich zuvor so viel Zeit hatte, auch um studieren zu können.« Nachdem er zunächst Biochemie bis zur Doktorarbeit durchgezogen hatte, fühlte sich Ansorge in der Forschung zunehmend verloren, alle seine Freunde sind Künstler und Musiker. Ansorge wechselte an die KHM sowie die Düsseldorfer Kunstakademie. Als Bildender Künstler arbeitet er viel mit vorgefundenem Material wie Filmsequenzen und Zeitungsfotos.

 


Die langen Jahre der Erfolglosigkeit und Entbehrungen prägten Ansorge, der noch immer der neuen Ordnung nicht wirklich traut, nachdrücklich. »Ich denke, dass das alles nicht wahr sein kann. Wenn ich ein tolles Booking habe und viel Gage kassiere, dann bringe ich das Geld zur Bank, weil ich weiß, wie die Zeiten davor waren«, sagt er. »Zum Beispiel tue ich mir damit schwer, von dem Geld, das ich verdiene, einen Synthesizer für 1000 Euro zu kaufen. Das machen doch nur die Leute, die davon leben... ich sehe mich noch immer nicht als professio­nellen Musiker.«

 


Den Erwartungen nach einem schnell nachgeschobenen Album hat er unter anderem deswegen nicht entsprochen. Erst einmal die Chancen wahrnehmen, die sich ihm bieten und gut bezahlt die Welt bereisen. So tourte er lieber intensiv durch Mexiko und die USA und bespielte zwei Sommer lang den Festivalzirkus. »Das wichtigste für mich war, dass es keinen großen Druck gibt«, führt Ansorge aus. »Wenn man Interviews liest, sind das ja zumeist Post-Album-Interviews, wo die Leute gerade aus dem Studio heraus sind und erzählen, wie anstrengend es war und dass sie erst mal Urlaub brauchen. Diese Überverausgabung, das scheint ein typisches Phantom zu sein, da das Album noch immer als so bedeutend in der Biografie gilt. Viele übermotivieren sich dadurch und verkrampfen, was man dann oft auch den Alben anmerkt.«

 


Um dem entgegenzuwirken, lege er, der in seiner frühen Jugend gerne Konzertpianist geworden wäre und der das Jammen an den Synthesizern als seine »Ersatzhandlung« beschreibt, erst los, als er als Ergebnis dieser Ersatzhandlung einen gewissen Vorrat an Ideen gesammelt habe. »So kann ich schneller arbeiten und es bereitet mir Freude, was man der Musik anhört.«

 


In der Tat strahlt sein Albumdebüt »Magazine 13.« eine melancholische Wärme, aber auch eine glückliche Geborgenheit aus, die an die Arbeiten von Robert Wyatt und Paddy McAloon erinnert. Entstanden ist das Album in Ansorges WG-Zimmer. Vom Bett zum Mischpult sind es fünf Schritte. Was sehr gut passt, da er sich als Nachtmensch bezeichnet, der dann leichter den konzentrierten Fluss der Dinge findet. Insofern ist das Umfeld im Hafenareal ideal. Zwar wohnt unter ihm eine Familie mit Kindern, doch »lustigerweise haben sie ein schlechtes Gewissen, da sie denken, ich könnte ihre Kinder hören.«

 


So frei seine Herangehensweise an das Produzieren auch ist, ein Korsett akzepiert Ansorge dann doch: sie müssen im Club spielbar sein. »Man ist als DJ immer leicht enttäuscht, wenn dein Lieblings-12-Inch-Artist ein Album vorlegt und meint, er müsse jetzt keine Clubmusik mehr machen«, erzählt er. »Für mich war klar, wenn eine Bassdrum da ist, dann ist die immer +/- 120Bpm und steht im Zentrum der Abmischung. Das kommt aber natürlich. Meine Stücke würden komplett anders klingen, wenn ich nicht eine zeitlang meines Lebens sehr viel ausgegangen wäre. Ich bin ein Tänzer, der sich überlegt, was ihn jetzt am meisten kicken würde und genau das später im Studio sucht.«

 


Die für seinen Sound so wichtigen Melodien, die er gerne entgegen aller Ratschläge von Tontechnikern schichtet und übereinander legt, findet Ansorge dort, worum andere einen großen Bogen machen wollen: in den Presets der Synthesizer. »Die können eine unheimliche Energie ausstrahlen, haben oft ja auch etwas Historisches. Ich nenne das Soft-Sampling«, berichtet er. »Im ›richtigen‹ Sample mag zwar noch viel mehr die Welt des Musikers drin stecken, und zudem der Raum, der Hall, die Stimmung der Aufnahme. Aber bereits im Preset entdecke ich oft eine Aura, zu der ich eine Beziehung aufbauen kann, die in mir ein Lied anstößt. Für mich sind das aber nur Startpunkte. Ich verändere diese Presets natürlich.«