Die unbekannten Schenker

Eine große »Sonderausstellung« im Museum Schnütgen erzählt

die Weihnachtsgeschichte seitwärts

Ein Museum ist kein Archiv. Zu­­mindest nicht der dem Besucher offenstehende Bereich. Dieser erscheint vielmehr als Wunderwelt; trotz aller Verankerungen in Wissenschaften, Zeitskalen und Erklärungssystemen entspinnen Museen und ihre Ausstellungen phantasievolle Geschichten. Die museale Nacherzählung reflektiert Wissen, Überzeugungen und Mythen einer Kultur — oftmals ein spannungsgeladenes Mit- und Gegeneinander von Religion, Wissenschaft und Kunst. In seinem Zentrum finden wir in diesen Tagen ein Neugeborenes und seine Mutter in einem Stall. Wenden wir den Blick etwas zur Seite, entdecken wir eine Gruppe Männer. Wer sie sind, das wissen wir nicht so recht.

 


Das Museum Schnütgen verweist schon im Titel seiner aktuellen Sonderausstellung »Die Heiligen Drei Könige — Mythos, Kunst und Kult« auf jene komplizierten Konstellationen. Die Gebeine im Dreikönigenschrein, der sicher bedeutsamsten Reliquie des Kölner Doms, geben der wissenschaftlichen Perspektive wenig Auskunft, aber auch das Neue Testament berichtet nur bei Matthäus (2, 1-12) von einer Gruppe weiser Männer, die heute oft als »Sterndeuter« bezeichnet werden. Jene, die sich aufmachten, dem Kind zu huldigen, entdeckt man hinter der schweren, hydraulischen Tür am Ende eines kurzen, aber reduziert-feierlichen Ganges. Eine Gruppe Männer, dargestellt auf Stein, Kupfer, Elfenbein oder Silber. Flügelgleich wehen ihre Umhänge auf der Marmorplatte des Serva-Epitaphs aus dem Musei Vaticani.

 


Diese elfenhafte Erscheinung der Weisen ist nur Auftakt einer Reihe von Entdeckungen entlang der Geschichte eines Wandels, welche Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen, im Gespräch mit der StadtRevue so zusammenfasst: »Die Ausstellung öffnet ja ein Spektrum von zehn thematischen Kapiteln, in welchen beispielsweise der Übergang von den orientalischen Weisen zu christlichen Königen, die Entstehung des Bildes der thronenden Muttergottes oder die Bildprogramme im Zeitalter der gotischen Kathedralen behandelt werden.«

 


Bis in die Neuzeit reichen die Leihgaben aus Museen weltweit. Darunter gelang auch eine nahezu sinnbildliche Zusammenführung, für welche die Heiligen Drei Könige der Anbetungsgruppe eines unbekannten schwäbischen Meisters aus dem späten 15. Jahrhundert von New York aus ihren Weg antraten. Ein umfangreiches kostenloses Begleitheft weist auf Bedeutungen und Details aller Werke hin, es bereichert den Besuch enorm. Gleichzeitig fordert der entsprechend geleitete Parcours eine Ruhe, für die es wohl mehr als Interesse an Demystifikation bedarf. Die gelingt der Wissenschaft natürlich im Nebenbei, allein in der Skizzierung des Wandels von einer unbezifferten Gruppe »Weiser« hin zu Drei Königen. Deren Ausgestaltung durchaus rassistische Archetypen oder politische Vereinnahmung beinhalten kann, etwa wenn weltliche Herrscher sich in Rollenportraits in die bildliche Darstellung einbringen.

 


Doch bleibt etwas Ungreifbares. Moritz Woelk beschreibt als seine größte Einsicht: »Wie sehr in den frühchristlichen Darstellungen des Themas die Erlösung des Menschen vom Tod im Zentrum steht und wie stark sich die christlichen Könige des Mittelalters mit den Heiligen Drei Königen identifiziert haben.« Tatsächlich findet man die Heiligen Drei Könige auf Sarkophargen wie auf Reliqienkästchen, Monstranzen und Altären, von denen einer, in antithetischer Leere, die Spuren der Bilderstürmer zeigt. So unterstreichen auch die Fotos der Schreinsprozession im umfangreichen Kölner Ausstellungskapitel, wie die Religion des Textes im Christentum auch stets eine des Bildes wurde.

 


Nachbilder bleiben bei allen Erkenntnissen und Einsichten: etwa das der enormen neapolitanischen Krippe oder aber jenes einer kleinen, sich öffnenden Schreinmadonna um 1300. Wahrscheinlich hat auch sie Anteil am persönlichen Eindruck, dass die Heiligen Drei Könige in ihrer eigenen Ausstellung letztlich doch kaum fassbare Nebenfiguren bleiben, während Maria in ihr Zentrum zu rücken scheint. Eine Perspektive, für die Woelk Verständnis zeigt: »Tatsächlich geht es in den Darstellungen bis zum 12. Jahrhundert vorrangig um Christus und danach wird die Verehrung Marias immer wichtiger. Oft wird sie zur eigentlichen Hauptfigur — das spiegelt eine gewandelte Frömmigkeit, bei der die Rolle Marias als Mittlerin zwischen Mensch und Gott eine große Bedeutung bekam.«

 


Als kommentierende Mittlerin zwischen Glaube, Geschichte und Legende gelingt »Die Heiligen Drei Könige — Mythos, Kunst und Kult« derweil Außerordentliches.