Foto: Manfred Wegener

»Es gibt kein Recht auf ein plakatives Nein«

Ein Gespräch mit Monika Kleine, 45, Geschäftsführerin des Kölner Sozialdienstes katholischer Frauen, über die mögliche Schließung der Kölner Babyklappe

Zurzeit gibt es bundesweit 29 Babyklappen, neun davon betreibt der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), im November 2000 wurde das Moses-Baby-Fenster in der Escher Straße in Köln eröffnet. Seither haben sechs Frauen ihre Kinder dort abgegeben. Die Babyklappen bieten Müttern in Extrem-Situationen die Möglichkeit, ihr Baby nach der Geburt anonym abzugeben. Danach können sie sich jederzeit wieder beim Kölner Babyfenster melden, um zu ihrem Kind Kontakt aufzunehmen. Drei der sechs Mütter haben sich in Köln tatsächlich später beim SkF gemeldet. Dennoch ermöglichen Babyfenster prinzipiell die lebenslange Anonymität der Mutter, dadurch sind sie ins Visier der Kritiker geraten.

StadtRevue: Anfang Februar meldete die Tagespresse, das Kölner Babyfenster stünde vor dem Aus. Schließt der SkF seine Babyklappen?

Monika Kleine: Was zu diesen Meldungen geführt hat, war eine stark verkürzte Interpretation eines Interviews unserer Bundesvorsitzenden Maria Elisabeth Thoma. Nein, wir machen die Babyklappen erstmal nicht zu. Aber der Druck auf uns nimmt zu, und zwar erheblich.

Wer übt Druck aus und mit welchen Argumenten?

Sowohl Verbände wie terres des hommes und die Selbsthilfeorganisation der Adoptierten, aber auch Einzelpersonen wie die Hannoveraner Pädagogin Christine Swientek. Sie alle haben schwerwiegende Argumente. Das wichtigste: Verfassungsrechtlich hat der Mensch ein Recht auf das Wissen um seine Wurzeln. Wir finden das absolut richtig und führen eine innerverbandliche Diskussion.

Das alles wussten Sie doch schon, als Sie die Babyklappen geöffnet haben.

Wir sind vor drei Jahren mit der Annahme gestartet, dass ein Babyfenster Frauen abhalten könnte, ihr Kind zu töten oder auszusetzen. Was wir heute sagen können, ist, dass wir es offenbar mit einer anderen Zielgruppe zu tun haben. Nicht alle Frauen, die ihr Kind in einer Babyklappe abgegeben haben, standen vor der Ultima-ratio-Situation, es stattdessen zu töten oder auszusetzen. Doch nur dies würde rechtfertigen, dass man das Rechtsgut vom Wissen um die eigenen Wurzeln im Einzelfall nachrangig bewertet. Wir wissen heute zweierlei. Die meisten Frauen brauchten Anonymität gegenüber ihrem Umfeld, nicht jedoch gegenüber ihrem Kind. Und die Frauen wären überfordert gewesen, das sonstige Beratungsangebot in Anspruch zu nehmen, das erzählen sie selbst: Ich habe die Schwangerschaft verheimlicht, ich habe sie selbst nicht wahrgenommen, ich wäre nicht in der Lage gewesen, in der Zeit rund um die Geburt eine Person anzusprechen... Alle Frauen, die ihr Kind in der Babyklappe abgegeben haben, hatten eine sehr komplexe Problemlage – die gilt es, ernst zu nehmen.

Die Position der Gegner ist ein klares Nein zur Anonymität. Was setzen Sie dem entgegen?

Es gibt kein Recht auf ein plakatives Nein. Es gibt keine einfachen Lösungen. Ich werde in diesem wichtigen Abwägeprozess nicht jetzt schon einen Punkt setzen, wir werden als Verband Ende März eine Entscheidung treffen. Sicher ist für uns, dass es anonyme Zugänge geben muss. An einem Punkt stelle ich mich den Gegnern vehement entgegen, auch den Adoptiertenverbänden: Ich glaube, dass ein Leben als Findelkind oder Adoptivkind gelingen kann. Die Menschen, die traumatisiert sind durch ihre eigene Adoptions- oder Findelkindgeschichte und gegen die Babyklappen argumentieren, sollten bedenken, dass sie zu einer Zeit adoptiert wurden, als Adoption völlig anders gestaltet wurde. Es gibt heute viele tragische Geschichten von Adoptierten, die zufällig aus dem Stammbuch erfahren, dass sie adoptiert wurden. Da sträuben sich mir die Nackenhaare. Aber heute geht man anders vor, wir machen selbst auch Adoptionsbegleitung und -vermittlung. Die potenziellen Adoptiveltern gehen durch ein Jahr intensiver Vorbereitung, und eine Voraussetzung ist, dass dem Kind gegenüber Offenheit herrscht. Es wird in 20 Jahren nicht mehr so viele verletzte und traumatisierte Adoptiv- und Findelkinder geben. Ein solches Leben geht nicht auf jeden Fall schief, es kann gelingen.

Was wäre die Alternative zum jetzigen Konzept der Babyklappe?

Als Auswirkung der Babyfenster hat es die Bundesratsinitiative zur anonymen Geburt gegeben. Die ist zurückgenommen worden, weil so viele Rechtsgüter berührt sind, dass es problematisch wird. Ein gesetzlich verbrieftes Recht auf anonyme Geburt halte ich auch für falsch. Nur Frauen in einer Notsituation haben ein Recht auf Schutz und Anonymität, aber nicht jede beliebige Frau. In der Diskussion ist im zweiten Schritt der Versuch entstanden, die vertrauliche Geburt zu regeln.

Was ist eine vertrauliche Geburt?

Der Grundgedanke ist, dass die Frau in eine Klinik gehen kann und keine Angaben zu ihrer Person gegenüber Dritten machen muss. Sie muss jedoch ihre Angaben für das Kind hinterlassen, so dass es, sobald es 16 Jahre alt ist, Zugriffsmöglichkeiten auf diese Daten hat. Die vertrauliche Geburt könnte einen großen Bedarf abdecken, den wir in unserer Arbeit feststellen. Die Regelungen zur vertraulichen Geburt müssen jedoch für alle ethisch und moralisch tragbar sein.