Mein Freund Overath

Beim Gezerre um den vermeintlichen Retter des FC geht es nur vordergründig um Fußball

Der Fußballclub 1. FC Köln hat sich im März eine neue Führungsstruktur verpasst. Darüber wurde genug und zu Recht gespottet, mehr noch als über die sportliche Situation, die ja ihrerseits genug Stoff bietet für despektierliche Betrachtungen. Der FC hat nun mit Wolfgang Overath einen Präsidentennachfolger mit Machtzugriff auf alle Entscheidungen, die im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich fortan zu fällen sind. Damit ist er schon jetzt die Nummer Eins in der Hierarchie und steht über den Herren Horstmann (Geld), Rettig (Geld und Sport) sowie Koller (Sport).

Superlative und Supergau

Der landesweite Hohn (»Schützenverein«, Spiegel-Online) dürfte nicht allen Beteiligten weh tun. Schließlich bleibt so verdeckt, was an dem Geschehenen tatsächlich interessant ist. Wir reden über die klassischste aller wirklich relevanten Fragen: Wer hat was davon?

Beginnen wir mit einer grob gerasterten Chronologie der Ereignisse. Im Herbst letzten Jahres fällt Verleger Alfred Neven DuMont im Express mit einem Ständchen für Wolfgang Overath zu dessen Sechzigstem auf. Darin preist er die Leistungen des Linksfußes (einmal Weltmeister, einmal Deutscher Meister) und redet, wie das andere vor ihm auch schon oft getan haben, den Siegburger in die Verantwortung beim FC. Der hält sich bedeckt, wie immer in den letzten Jahren, und winkt wortkarg ab. Im Februar lanciert der Express die Halbmeldung, Ex-Kicker und -Manager Karl-Heinz Thielen sei – ausgemachte Sache, Ehrenwort – so gut wie neuer Präsident des FC. Irgendwann. Nur Tage später werden im gleichen Blatt Helmut Haumann, dem Kölner GEW-Chef und ehemaligen CDU-Lokalpolitiker, leise Interessen unterstellt, er wolle das prestigeträchtige Amt vor seiner Altersruhe unbedingt ausüben. Parallel dazu kommentiert der Kölner Bild-Sportchef Karl-Erich Jäger, ein intimer Freund gängiger Superlative, den sportlichen Supergau.

Eins von tausend Gerüchten

Soweit alles klar? Anfang März dann gewinnen die Dinge an Tempo. Der Möbelhändler Neukirch (Verwaltungsrat FC) und der hauptberufliche Oberbürgermeister Schramma (CDU) werden immer wieder mit den Wortkombinationen »Mein Freund« und »Overath« zitiert, während der so Beförderte zum ersten Mal auf dem Vereinsgelände auftritt und Ansprüche anmeldet. Seine bemerkenswertesten Zitate in dem Zusammenhang sind »sofort« und »das alleinige Sagen«. Overaths bislang letzter seriöser Kommentar zur sportlichen Situation des FC datiert vom Samstag der letzten gewonnen Meisterschaft im Jahr 1978. Damals betonte er im Aktuellen Sportstudio, Freunde hätten behauptet, »mit Overath hätte der 1. FC Köln jetzt sicher drei oder fünf Punkte Vorsprung gehabt«. Zur Erinnerung: Dem 12:0 Borussia Mönchengladbachs gegen Dortmund musste der FC ein 5:0 in St. Pauli entgegenhalten, um punktgleich die zweite Bundesliga-Meisterschaft zu gewinnen. Overath war ein Jahr zuvor von Trainer Weisweiler nach Hause geschickt worden.

Kommen wir zurück zum Wesentlichen. Boulevardjournalismus hat wenige Fixpunkte. Ein Regionalblatt wie der Express lebte lange Zeit von den paar gängigen Identifikationsobjekten. Aber Willy Millowitsch ist tot; die Bläck Fööss sind nicht, was sie einst waren; »unser Supermodel« Heidi Klum wird bald Mama und steht im hohen Alter von 30 kurz vor der Supermodel-Rente. Am Schwersten aber wiegt, was FC-Manager Andreas Rettig dem Buntblatt zugefügt hat: Er hat die Löcher geschlossen, aus denen so oft die Informationen und Gerüchte drangen. Vorbei die Zeiten, in denen noch jeder unzufriedene Kicker im In- und Ausland mit dem ersten Fußballclub der Stadt in Verbindung gebracht wurde. Selten geworden ist der nervende Hinweis »(Express berichtete)«, wenn eins von tausend Gerüchten mal irgendwas mit der Realität zu tun hatte. Für Bild gilt nicht ganz das Gleiche, nur beinah, aber Bild ist in Köln ja auch nur semiwichtig.

Die gute alte Zeit

Vielleicht, nur vielleicht, passt dazu ja auch, dass sich die Sportredaktion des Kölner Stadt-Anzeiger, literarisch das beste Ressort im Haus und Tag für Tag ein Quell der Freude, sehr spät zu Wort meldete. Erst als Overath im ersten Anlauf gescheitert schien, fragte Ressortchef Karlheinz Wagner nach Overaths Konzepten. Ein Thema, das er gewiss schon länger in sich getragen hatte. Der Stadt-Anzeiger erscheint wie der Express im Haus DuMont Schauberg. Und wenn es eine Direktive für den Express gegeben haben sollte, von ganz oben womöglich, FC-Präsident Caspers abzusägen und mit Overath eine Figur aus der guten alten Zeit zu installieren, dann machte diese Zurückhaltung durchaus Sinn.

Der Express jedenfalls hat bekommen, was er brauchte. Am 12. März lautet eine Headline: »Overaths geheime Pläne«. Mir wird ganz nostalgisch.