Foto: Manfred Wegener

Es geht voran

Anderthalb Jahre nach dem Ratsbeschluss scheint es doch noch Wirklichkeit zu werden –

das Schaworalle-Projekt für Roma-Kinder

Ein pädagogisches und kulturelles Zentrum, wie es Schaworalle werden soll, ist ein lang gehegter Wunsch der Roma«, sagt Kurt Holl vom Vorstand des Rom e.V., »in ihrer jetzigen Lebenssituation fühlen sie sich ghettoisiert, das Zentrum könnte ihnen ihre soziale und kulturelle Identität wieder geben.«

Das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip

Vorbild für das Kölner Vorhaben »Schaworalle« ist das gleichnamige Modellprojekt, das in Frankfurt seit 1999 Erfolg hat. Kinderbetreuung und Unterricht, Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Regelschule und Schulbegleitung sind die pädagogischen Eckpfeiler des Frankfurter Projekts – und sie sollen es auch in Köln sein.

Am 16. März (kurz nach Redaktionsschluss) befasste sich der Jugendhilfeausschuss der Stadt mit der Angelegenheit, er sollte die Verwaltung beauftragen, einen Träger für das Projekt zu suchen. Der Rom e.V. ist derzeit einziger Bewerber. Geeignete Räumlichkeiten wurden auch bereits in Augenschein genommen: das nur noch sporadisch genutzte Internationale Jugendbegegnungszentrum Sharifeh am Venloer Wall. Und so deutet alles darauf hin, dass es endlich losgehen kann.

Anderthalb Jahre sind vergangen, seit der Kölner Rat die Verwaltung beauftragt hatte, auch mögliche vorbeugende – und nicht nur repressive – Maßnahmen im Umgang mit den so genannten Klau-Kids zu prüfen. Am Beschluss der damaligen Ratssitzung im November 2002 lässt sich das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip der aktuellen Kölner Flüchtlingspolitik, ein Ergebnis der schwarz-grünen Koalition, sehr anschaulich auffächern. Die Grünen hatten damals die Umsetzung des Frankfurter Schaworalle-Projekts für Köln beantragt, fanden im Rat dafür jedoch keine Mehrheit. Stattdessen wurde beschlossen, »das Problem der Straßenkriminalität« durch »Strafverfolgung und Prävention« zu lösen.

Landesmittel für LehrerInnen

Strafverfolgung und repressive Maßnahmen wurden in den letzten Jahren schnell und entschieden eingeleitet: Die Sondereinheit »EK Tasna« greift die Roma-Kinder bei Taschendiebstählen auf; die Polizei fotografiert deren Unterwäsche, nach eigenen Angaben um Verwahrlosung zu dokumentieren; sieben Roma-Jugendliche wurden vom Jugendamt aus ihren Familien entfernt und sind in Heimen außerhalb von Köln untergebracht.

Mit der Prävention jedoch ließ man sich Zeit. Nach dem Ratsbeschluss vom November 2002 richtete Klaus-Peter Völlmecke, zuständiger Abteilungsleiter im Jugendamt, eine Arbeitsgruppe ein, der neben dem Rom e.V. auch Polizeivertreter, der Sozialdienst Katholischer Männer, das Deutsche Rote Kreuz, das Wohnungsamt und der Flüchtlingsrat angehörten. Nach anderthalb Jahren Prüfphase hatte niemand mehr so richtig an den Erfolg geglaubt: »Wir waren überrascht, dass es doch plötzlich noch voran geht«, sagt Elisabeth Klesse, die für den Rom e.V. an der Planung von Schaworalle arbeitet.

Einen Beitrag zur Realisierung des Projekts hat auch das Land geleistet: 500.000 Euro stelle NRW der Stadt zur Problemlösung im Umgang mit den so genannten Klau-Kids zur Verfügung, kündigte Ute Schäfer, Landesministerin für Schule, Jugend und Kinder, an. OB Fritz Schramma und Jugenddezernent Franz-Josef Schulte reagierten allerdings verärgert über den Geldsegen. Die Landesmittel sind nämlich zweckgebunden: Sie werden für zusätzliche LehrerInnen bereitgestellt, nicht aber als Unterstützung für »eine besondere Unterbringung dieser jugendlichen Serientäter«, wie es in der entsprechenden Pressemitteilung der Stadt heißt. Genau das aber hatte vor allem die Kölner CDU vom Land gefordert.

Heitere Nachbarschaft

In der Ratssitzung am 12. Februar wurde über das Für und Wider dieser zweckgebundenen Zuweisung heftig diskutiert. Auf breite Zustimmung stieß jedoch die Ankündigung von Franz-Josef Schulte, ein Teil der Gelder, sprich: der Lehrerstellen werde in das Schaworalle-Projekt fließen. Idealerweise soll die Einrichtung, in der nach Vorstellungen des Rom e.V. die Hälfte der Beschäftigten Roma sein werden, ihre Arbeit zum Schuljahresbeginn 2004/05 aufnehmen.

Einen Konflikt gilt es auf dem Weg dahin allerdings noch zu bewältigen: Das Sharifeh-Zentrum am Venloer Wall, das die Stadt für Schaworalle vorsieht, wehrt sich gegen die Kündigung zum 31. März und hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Solange das Sharifeh-Zentrum nicht zur Verfügung steht, so plant die Stadtverwaltung, soll eine baufällige Baracke auf dem Nachbargrundstück wieder hergerichtet werden, um einen schnellen Einstieg in das Projekt zu gewährleisten. Darüber ist wiederum der Elternrat der Kindertagessstätte empört, die ebenfalls auf diesem Grundstück untergebracht ist. Die Eltern fürchten um das attraktive Außengelände der Kita und sehen langfristig sogar die Existenz der Einrichtung gefährdet.

Wenn die Aufregung der Erwachsenen wieder abgeebt ist, ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Roma- und Nicht-Roma-Kinder ganz einfach zu einer heiteren Nachbarschaft zusammenfinden. Schaworalle ist ein freundliches Wort aus der Sprache der Roma, dem Romanes, und bedeutet »Hallo Kinder«.