Foto: Manfred Wegener

Dem Visionär ist nichts zu schwer

Volles Programm auf dem Kölner Fernsehmarkt – von Viva bis zum »Nachbarschaftsfernsehen«

Es geht wieder los. Der Fernsehmarkt, er bewegt sich. Nach Monaten dämmernden Durchhaltens ist wieder Umbruch angesagt, und diesmal natürlich ultimativ, definitiv und irreversibel sowieso. Zum Beispiel >Viva, der Kölner Musik-TV-Mini-Konzern: Neuorientierung prangt da fett auf der Pressemitteilung zum Konzernjahresabschluss. Aber hallo: Rückläufige Werbeeinnahmen, Sonderabschreibungen und Rückstellungen ließen die Sendergruppe mit einem Fehlbetrag von 42 Mio. Euro mal so richtig in die Verlustzone rutschen. Kaum mehr was wert der ganze Sender-Krempel, und wieder mal ein sattes Minus im operativen Geschäft. Umsätze aus interaktiven Services wie Telefon, SMS oder Internet hingegen erreichen noch keine nennenswerte Dimension. Die Party ist vorerst vorbei, das junvenile Unternehmensgefühl Viva sorgt heuer eher für eine Gänsehaut. Ungeduldig hat Hauptgesellschafter Time Warner seine Leute an den Rhein geschickt, Kostendrücken is the name of the game, und das heißt nicht selten: Leute entlassen.
Dagegen erstrahlt >Brainpool, der TV-Produzent unter dem Viva-Dach, in neuem Glanze. »Promi-Boxen« (RTL), »Ladykracher« (SAT.1) und »The Bachelor«, dazu Vertragsverlängerung von »tv total« (ProSieben) und zuletzt der Post-Harald-Schmidt- Coup mit »Ankes Late Night« – alles in allem eine exzellente Auftragslage. Damit erzielte Brainpool nicht nur einen ordentlichen Gewinn, sondern erstmals auch einen höheren Umsatz als das Musikfernsehen, das ehemalige Kernsegment der Viva-Gruppe. Schon munkelt die Branche von Machtwechsel und Desintegration. Viva-Konzernchef Dieter Gorny, »deutscher Pate der Popmusik« der ersten Stunde, verliert an Boden, während Jörg Grabosch, Inhalte- und Brainpool-Chef zunehmend das Rennen bei Viva macht.

Und plötzlich verdunkelt sich der Himmel, denn er kommt ins Spiel – der US-Medientycoon >Haim Saban: Was hat er wirklich vor im deutschen TV-Markt? Die ProSiebenSAT.1-Gruppe hat er gekauft, an Premiere und der Bundesliga war er dran, und Gerüchten zufolge verhandelt er nun auch mit den Viva-Gesellschaftern Time Warner und Vivendi Universal über eine Übernahme der Kölner Sendergruppe. Dann könnte Viva für ProSiebenSAT.1 das werden, was Vox für die RTL-Gruppe ist. Schon jetzt kooperiert Viva ganz nach dem Vorbild der Konkurrenz eng mit SAT.1 bei dem Superstar-Epigonen »Star Search«: Die Show bei SAT.1, das Magazin dazu bei Viva.

Auch das Standort-Gezocke erlebt eine ungeahnte Renaissance. n-tv kommt zu Mama RTL an den Rhein, soviel ist sicher. Und auch der TV-Produzent MME Me, Myself & Eye Entertainment AG (»Top of the Pops«) hat jüngst erneut einen Umzug in den Kölner Mediapark in Aussicht gestellt. Näher dran sein will man halt an wichtigen Kunden wie RTL und WDR. Dass aber nun auch der Pay-TV-Sender >Premiere offiziell die Bedingungen für einen Standortwechsel sondiert, kann überraschen. Bündeln wolle man all seine Aktivitäten, schneller werden, so der Sender, und das könne man in Hamburg, Berlin oder eben Köln. Es geht wie immer darum, die Förder- und Subventionsleistungen der einzelnen Standorte abzuklopfen. Ein Umzug des derzeit in München-Unterföhring angesiedelten digitalen Play-Out-Centers des Senders wäre allerdings aufwändig. Das lohnt sich nur bei richtig rasanten Fördergeldern. Ein Fall also für Super-Schramma und NRW-MP Peer Steinbrück. Rund 1.500 Arbeitsplätze winken immerhin, außerdem Gewerbesteuern und jede Menge Prestige.

Konzentration letztendlish auch im deutschen Kabelmarkt. Wie schon erwartet, übernahm der Münchener Netzbetreiber Kabel Deutschland (KDG), getragen von einem internationalen Bankenkonsortium um Goldman Sachs und Apax, für rund 1,4 Mrd. Euro die Kölner >Ish GmbH. Und da hören wir es klopfen an der Hintertür, leise aber bestimmt: das Monopol. Schon einmal wurde es rüde abgewiesen,
als der US-Medienentrepreneur John Malone die deutschen Kabelnetze in einer Hand vereinen wollte. Doch diesmal scheint alles anders. Innerhalb der EU belegt Deutschland bei der Diffusion digitaler Sender einen Platz im hinteren Mittelfeld, aber mit einer deutschlandweiten Kundenbasis, so argumentiert die KDG, werde das Kabelnetz endlich für Inhalteanbieter attraktiver: Zusätzliche digitale TV-Programme, schnelle Internet-Zugänge über das Kabel, und das, so die Versprechung, 30 Prozent schneller und 30 Prozent billiger. Durchbruch ist angesagt – doch davor steht noch die Genehmigung des Kartellamts. Komplett erhalten werden soll übrigens vorerst der Kabel-Standort Köln bzw. NRW, allerdings ist die Beschäftigungsgarantie auf ein Jahr beschränkt. Derzeit arbeiten noch rund 900 Leute für Ish in NRW.

Auch an den Plänen, das jüngst im Linksrheinischen gestartete Ish-eigene Digital-Bouquet »Ish plus TV« weiter auszubauen, werde festgehalten. 42 Mio. Euro will Ish noch im laufenden Jahr investieren. Sahnehäubchen soll ein »kabel-exklusives >Nachbarschaftsfernsehen« sein, das Ish seinen Kunden gemeinsam mit einer TV-Produktionsfirma diesen Sommer noch bieten will: Komödianten auf der Breite Straße, Schulfeste und Fußballspiele in den Vororten. Sowas sei in den USA sehr beliebt, sagt Ish-Sprecher James Bonsall. Der Sommer kann kommen.