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Geschenkt ist geschenkt

OB Fritz Schramma will einen Leitfaden gegen Korruption – die Ratsmitglieder fühlen sich zu unrecht verdächtigt

Ich wiege inzwischen 102 Kilo!«, schimpft Karl Jürgen Klipper, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kölner Stadtrat. Die ständigen Arbeitsessen, die er als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker zu überstehen habe, seien durchaus nicht immer ein Genuss, sondern Teil seiner ehrenamtlichen Arbeit als Ratsmitglied. Diese Arbeit, so der Tenor des erregten Wortbeitrags, sei im Gegenteil hart und verdiene es nicht, dass man ihr ständig mit Misstrauen und Kontrolle begegne.
Die Stimmung war gereizt im frisch renovierten Kölner Ratssaal. OB Fritz Schramma (CDU) hatte die Mitglieder des Stadtrats Ende März zu einer »Informationsveranstaltung« eingeladen, um mit ihnen den Entwurf eines so genannten Leitfadens zu diskutieren. Dieser Leitfaden soll festschreiben, was Ratsmitglieder dürfen – und was nicht.

Immer erst den Bürgermeister fragen

Damit würde die Stadt Köln Neuland betreten, bisher gibt es in keiner anderen Kommune in Deutschland einen Leitfaden. Grund für den Sonderweg sind nicht nur die gründlichen Erfahrungen der Kölner Abgeordneten mit dem Thema Korruption, sondern auch eine schwierige Rechtslage: Das Kölner Landgericht hatte im Zusammenhang mit dem Müllskandal entschieden, dass Ratsmitglieder als Amtsträger anzusehen sind. Das bedeutet: Sie werden wie Beamte an strengeren Maßstäben gemessen als Normalbürger, sie können sich der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit strafbar machen. Diese Entscheidung ist allerdings unter Juristen umstritten, die Ratsmitglieder befinden sich also in einem rechtlich unsicheren Zustand.
»Ein Leitfaden dient dem Schutz jedes gutgläubigen Ratsmitglieds«, sagt OB Schramma. Deshalb hat er eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, der die Kölner Staatsanwaltschaft, die Bezirksregierung und die Stadt Köln angehören. Diese Arbeitsgruppe hat den umstrittenen Leitfaden entworfen. Unter der Überschrift »1. Essens- und sonstige Einladungen« heißt es darin beispielsweise : »Als obere Wertgrenze des Zulässigen sollte ein Betrag von € 100,– angesehen werden. Die Teilnahme an darüber hinaus gehenden Bewirtungen sollte dem Oberbürgermeister angezeigt werden.« Und etwas weiter: »3. Geschenke: Die Annahme von Geld und Sachgeschenken sowie immateriellen Vorteilen ist grundsätzlich nicht als Bestandteil der Mandatsausübung anzusehen.«

Die Zeiten ändern sich

Die gereizte Stimmung richtete sich insbesondere gegen Kölns Leitenden Oberstaatsanwalt Jürgen Kapischke, der den Leitfaden vorstellte. Nur PDS-Ratsherr Jörg Detjen durchbrach den Konsens: »Die Stimmung: ›Wir sind die armen Ratsmitglieder‹ kann ich nicht teilen.« Kapischke bekam auch den Frust über die so genannte Fresskorb-Affäre zu spüren: Gegen die vier Vorsitzenden der Ratsfraktionen wird ermittelt, weil sie im vorigen Dezember Präsentkörbe der städtischen Abfallwirtschaftsbetriebe im Wert von etwa 180 Euro erhalten hatten, obwohl sie die Körbe zum Teil direkt an Mitarbeiter oder soziale Einrichtungen weiter gaben. Kapischkes Argument, gerade solche Situationen würden durch einen Leitfaden vermieden, in dem die Abgeordneten selbst festlegten, was »sozial adäquat« sei und was nicht, drang nicht bis zu den Abgeordneten vor. CDU-Fraktionschef Klipper: »Dadurch entsteht ein Klima, dass man sagt: Ich tue gar nichts mehr für dieses Ehrenamt!«
»Das ist ein Killerargument, mit dem ich sehr vorsichtig wäre«, sagt Peter von Blomberg, Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation Transparancy Deutschland. »Ganz entschieden anderer Auffassung« ist der ehemalige Manager der Allianz-Versicherung zur Frage einer gründlichen Kontrolle von Mandatsträgern: »Das gehört zu einer öffentlichen Tätigkeit im Auftrag des Wählers dazu – da muss man sich an andere Spielregeln gewöhnen, als sie noch vor zehn Jahren galten«.

Doch keine öffentliche Kontrolle

Die Ratsmitglieder möchten, dass solche Regeln von der Landesregierung für ganz NRW entwickelt werden sollen – ein entsprechender Antrag wurde inzwischen von allen Ratsfraktionen verabschiedet. Dagegen hätte auch von Blomberg nichts – nur sei völlig offen, wann es dazu komme. »Bis dahin besteht Rechtsunsicherheit«.
Die Kritik der Ratsmitglieder an dem Leitfaden unterstützt von Blomberg allerdings in einem Punkt: Dass ausgerechnet der OB als Melde- und Genehmigungsstelle für die gewählten Ratsmitglieder vorgesehen ist, sei problematisch: »Der Oberbürgermeister ist nicht der große Manitou«. Der Rat könne sich aber selbst für diese Funktion einen kleinen Ältestenrat schaffen.
Noch wichtiger, sagt von Blomberg, sei aber ohnehin die Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Punkt zehn des Leitfadens sah eigentlich vor, dass die Angaben der Ratsmitglieder im Internet veröffentlicht werden sollen. In der Version, die Ende März so erregt diskutiert wurde, fehlte dieser Passus allerdings bereits.
»Schade«, sagt von Blomberg, »der Punkt gefiel mir am Besten.«