Ein Schaufester, das wandert

Horizonterweiterung: Die Initiative Josef-Haubrich-Forum/Das Loch e.V. gründen eine »Europäische Kunsthalle Köln«. Melanie Weidemüller sprach mit Kathrin Luz und Meyer Voggenreiter über Konzept, Planungsstand und Perspektiven für Köln

Interview

StadtRevue: Sie haben angefangen mit dem Protest gegen den Abriss von Kunsthalle und Kunstverein, dann ein Gesamtmodell für das Areal Haubrich-Hof entwickelt, jetzt unternehmen Sie einen Gründungsakt für eine »Europäische Kunsthalle Köln« – was treibt Sie immer noch um nach zwei Jahren?

Meyer Voggenreiter: Es war am Anfang eine relativ spontane Protestbewegung, inzwischen arbeiten wir aber kontinuierlich an bestimmten Fragestellungen. Damals wollten wir nicht nur, dass der Baukomplex stehen bleibt, sondern haben schon da an das »Weiterbauen« gedacht. Die inhaltliche Substanz, die in dem Bestehenden steckt, wahrnehmen, erforschen und weiterdenken, das war unser Ziel. Es war eingebettet in unsere Sichtweise des öffentlichen Raums und enthielt zugleich natürlich auch den Versuch, deutlich zu machen, dass die Entscheidungen, wie sie hier in Köln stattfinden, alles andere als politische Kultur darstellen. Das nach dem Abriss präsentierte Modell war eine Gesamtlösung als Alternative zum architektonischen Lückenfüller. Entscheidender Baustein innerhalb dieses Konzeptes war damals schon die Kunsthalle, die Frage: Wie kann sie sich kompetent und neu vernetzen? Kann sie eine Art Labor des Öffentlichen werden – was sie ja damals, als sie gegründet wurde, war!

Das geplante Kulturzentrum hat inzwischen als »Kölner Loch« Karriere gemacht. Fühlen Sie sich bestätigt?

Luz: Es zeigt sich natürlich jetzt, wo das Opernthema zunehmend aktuell wird und man möglicherweise hier ein neues Loch zu erwarten hat, dass das Areal, das zur Disposition steht, von alleine ausufert. Es ist wie eine Ironie des Schicksals, dass wir damals schon bis zum Opernplatz gedacht haben.

Meyer Voggenreiter: Wir sind damals vorgeprescht, keine Frage. Alles, was sich dann im Dunstkreis der Gerüchte um den Neubau bis hin zum Kammermusiksaal entwickelt hat, mussten wir erst einmal ausfiltern und abwarten und dann neu starten. In dieser Position sind wir jetzt. Wir warten nicht mehr darauf, dass die Politiker mit uns sprechen, sondern wir sagen: Wir gründen jetzt unsere Kunsthalle. Wir berufen einen Gründungsrat ein, besorgen uns über eine Auktion Geld und starten die Kunsthalle als ein paradoxes, aber dennoch real werdendes Modell dafür, was eine Kunsthalle einmal sein kann.

Während im von der Stadt geplanten Kulturzentrum eine Kunsthalle vorgesehen ist, für die es bisher kein Konzept und keinen Etat gibt, entwickeln Sie ein Modell ohne architektonischen Ort. Was ist die Grundidee, wie soll die »Europäische Kunsthalle Köln« arbeiten?

Meyer Voggenreiter: Sie wäre eine Art konzeptionelle Klammer: Ein Projekt definiert sich darüber, dass es in den Kontext Europäische Kunsthalle Köln gehört, egal wo es stattfindet. Die Intention, die hinter dem Namen steht, »Europäische Kunsthalle Köln«, ist auch das Spannende daran: den übergeordneten Kontext mit dem lokalen Rahmen zu verbinden. Schon im Namen programmatisch deutlich zu machen, dass sich der Bezugsrahmen verändert hat, und eine funktionierende Struktur zu entwickeln, die diesen Gegebenheiten entspricht und sie gleichzeitig reflektiert – in diese Richtung denken wir. Damit ist ja auch eine der Leerstellen in der Kölner Politik angesprochen: Köln hat Anfang der 90er Jahre nicht kapiert, dass sich eigentlich alles ändert in Europa. Köln hat wirklich geschlafen zu dieser Zeit.

Luz: Der Idee liegt natürlich auch ein strategischer Trick zugrunde. Europa ist etwas, wo heutzutage vielleicht noch Geld zu bekommen ist. Wir denken neben der inhaltlichen Relevanz natürlich auch an die finanziellen Mittel – müssen wir ja auch.

Und die inhaltliche Legitimierung?

Meyer Voggenreiter: Man kommt ja an Geld nur, wenn es sich inhaltlich legitimiert und man in der Lage ist, ein Netzwerk zu anderen europäischen Projekten aufzubauen. Wenn man eine Kunsthalle wieder als Labor versteht, dann wollen wir den Forschungshorizont so ausweiten, dass an unterschiedlichen Orten ähnliche Problemstellungen untersucht werden: Sowohl was den Zustand gesellschaftlicher und urbaner Strukturen betrifft, als auch die Frage, welche Selbstformulierungsprozesse überhaupt im Gange sind, was europäische Kultur betrifft. Teil der Aufgabe ist es auszutesten, was eigentlich dran ist an der Idee Europa als kulturelle Einheit, wie weit der Streit, der hier möglich ist, eben auch ein Teil der Stärke europäischer Kultur sein kann.

Die konventionellen Kunsthallenkonzepte, wie etwa das »Schaufenster der Kölner Museen«, haben sich für Sie erledigt?

Luz: Sie haben sich dadurch erledigt, dass sie bestimmte Zielgruppen nicht mehr oder nur auf der Zählebene erreichen, wie z.B. die Bonner Bundeskunsthalle. Dieses fernsehprogrammmäßige Eingehen auf unterschiedliche Zielgruppen ist nicht mehr das Thema. Es geht vielmehr darum, bestimmte Setzungen zu machen, mit Positionen zu arbeiten und die vielleicht auch in einer anderen strukturellen Form zu verorten, wie z.B. Thomas Hirschhorns Documenta-Arbeit im sozialen Brennpunkt. Das ist auch ein Schaufenster, aber eines, das wandert und die Formate wechselt.

Gibt es nicht bereits genug nomadische Strukturen und Formen: Einzelprojekte, Festivals, die Manifesta, die durch Europa wandert?

Luz: Natürlich gibt es hier und da innovative Modelle. Die Frage ist doch: Gibt es so etwas in Köln? Ist Köln etwa nicht angeschlossen an solche Netze, Projekte und Entwicklungen innerhalb Europas? Deshalb suchen wir auch den engen Kontakt und Austausch mit Projekten wie der Manifesta, die gerade in San Sebastian stattfindet.

Ähnlichen Fragen widmet sich Kathrin Rhomberg mit dem Kölnischen Kunstverein als diskursivem Ort – hat er die Funktion nicht ausreichend übernommen?

Luz: Wir sehen da gute Verlinkungsmöglichkeiten, aber der Kunstverein hat bisher eine sehr spezifische Positionierung durch das Thema Osteuropa.

Meyer Voggenreiter: Irgendwo fehlt das größere Amalgam, das vielleicht früher einmal die Kunsthalle geleistet hat. Wir sehen es ja jetzt in Düsseldorf, wie diese hervorragende Zusammenarbeit zwischen Kunsthalle und Kunstverein sich zu einem Kompetenzpool ergänzt. Auch viele der jungen Galeristen, die jetzt in Köln sind, bedauern, dass sie keine Kunsthalle als öffentliches Format haben, die ihre Arbeit kommentiert und unterstützt.

Sie unterstützen Ihre Pläne bislang eher ideell, konkret engagiert in der Initiative sind nur Christian Nagel und Gabriele Rivet.

Meyer Voggenreiter: Das wird sich vielleicht jetzt ändern.

Wie werden Sie praktisch vorgehen?

Luz: Für den Gründungsrat haben wir uns ein europaweit funktionierendes, personelles Vernetzungssystem überlegt. Wir haben bereits Zusagen von Ulrike Groos, Direktorin der Kunsthalle Düsseldorf, von Hans Ulrich Obrist, in Europa tätiger Ausstellungsmacher, von Lioba Reddeker, europa-versierte Kunstakteurin und Leiterin der basis wien, von José Lebrero Stals, der in Sevilla ein Museum leitet – das sind vier erste Namen. Vermutlich wird auch jemand aus der Initiative sowie aus einer Kölner Institution dabei sein, außerdem ist Adam Szymczyk angefragt, aus Warschau stammender Leiter der Kunsthalle Basel, damit wären wir dann schon auf der Sollgröße. Der Gründungsrat soll schließlich auch die Konstitutionsphase weiter begleiten.

Er schlägt Direktionskandidaten oder den Direktor vor, die ein erstes Konzept vorlegen, dann soll in einem »öffentlich-diskursiven Verfahren« entschieden werden. Wie habe ich mir das vorzustellen?

Luz: Vielleicht als eine Art Symposion, auf dem sich die End-Kandidaten präsentieren und es danach eine Entscheidung gibt, wie bei einer Professurbesetzung etwa. Derzeit planen wir das zur Art Cologne. Wir denken auch, dass es ein Gewinn ist für die Kunstszene in Köln, wenn diese Positionen öffentlich vorgetragen und diskutiert werden und die Jury sieht, auf welche Resonanz ein bestimmtes Konzept trifft.

Das Finanzierungsmodell basiert auf einer großen Kunstauktion im Kunsthaus Lempertz.

Luz: Wir organisieren diese Auktion am 2. Oktober als Benefiz-Auktion von Seiten Lempertz. Unser Ziel ist es, das Budget für ein Jahr Gründungsdirektorium zu generieren, und wir hoffen, dass dort eine sechsstellige Summe zusammenkommt. Das ist natürlich nicht allein das Direktorengehalt, sondern auch Geld für inhaltliche Arbeit, Verknüpfungsarbeit und erste kleinere Projekte in der Stadt.

Wie stellen Sie sich selber die Arbeit in dem ersten Jahr vor, gibt es schon konkrete Ideen?

Meyer Voggenreiter: Es kann natürlich kein Trockenkurs sein, sondern man wird auch relativ schnell zu Formen des Öffentlichen finden müssen, auch zu angemessenen Formen des Ausstellens. Es gibt ja genügend künstlerische Positionen, die Formen der Stadtuntersuchung betreiben, und man sollte sicherlich das Potenzial künstlerischer Positionen nutzen.

Die Stadtverwaltung hat jetzt wieder Kontakt aufgenommen und interessiert sich dafür, was Sie vorhaben. Wie ist Ihre Kooperationsbereitschaft, nach allen Erfahrungen?

Meyer Voggenreiter: Das ist offen, aber wenn das Angebot käme, unser Konzept zu »ver-offizialisieren«, ohne dadurch die Inhalte zu verwässern, sind wir bestimmt gerne bereit, diesen Schritt zu diskutieren. Wir wollen aber nicht von Anfang an das Modell im Kontext einer städtischen Verwaltung denken. Es soll sich aus sich selbst heraus entwickeln, und kann als Selbsterkundung auch Aufschlüsse darüber geben, was heute an bürgerschaftlichem Engagement überhaupt realistisch ist.

Nur der Vollständigkeit halber: Wird das Museumszentrum am Neumarkt gebaut?

Meyer Voggenreiter: Wir gehen nach wie vor davon aus, dass dieses Kulturzentrum in der Form, wie es jetzt hochgehalten wird, nicht gebaut wird.

Luz: Nach allem was bekannt ist, glaube ich auch nicht, dass es gebaut wird. Dafür haben wir andererseits inzwischen klare Signale von der Stadt erhalten, die sich auf eine wie auch immer »regulierte« Zusammenarbeit mit uns beziehen.

Info
In der Initiative Josef-Haubrich-Forum sind seit 2002 Kölner Künstler, Kulturvermittler, Museumsdirektoren und Galeristen zusammengeschlossen. Am 11. Mai 2003 wurde der Verein Das Loch e.V. gegründet (Vorsitzende Rosemarie Trockel und Marcel Odenbach, im Vorstand Prof. Kasper König, Udo Kier u.a.), der die Initiative unterstützt. Das stadtplanerische Modell für den Haubrich-Hof, dargestellt in der Publikation »2010«, wurde im Sommer 2003 öffentlich präsentiert und von der Stadt als nicht realisierbar eingestuft. Infos und Texte unter www.haubrich-forum.net
Kathrin Luz (»Kommunikation Neumann + Luz«) und Meyer Voggenreiter (Desginer u. Ausstellungsgestalter) sind Mitglieder der Initiative und des Vereinsvorstands. Stand am »Kölner Loch«: Der aktualisierte Baubeschluss für das Kulturzentrum am Neumarkt inklusive Kammermusiksaal soll im Juli im Rat verabschiedet werden.