Billigflieger

Die Zahl der Billig-Airlines am Köln/Bonner Flughafen wächst. Neben Germanwings und Hapag-Lloyd-Express startet seit Juni auch die britische Linie Easyjet von Wahn aus. Die Zahl der Passagiere hat sich in den letzten Jahren verdoppelt – Tendenz steigend. Der Flughafen boomt wie kein anderer in Deutschland. Über die Auswirkungen von Billigfliegern auf Reiselust, Wirtschaftlichkeit und Flugsicherheit sprachen Thomas Goebel und Conny Crumbach mit Experten.

»Weil es billig ist und geht«

Der Soziologe Daniel Braunschweig über preisbewusste Deutsche und Wochenendtrips nach New York

StadtRevue: Wie hat sich das Reiseverhalten durch den Billigflieger-Boom verändert?

Daniel Braunschweig: Es gibt eine Reihe von Umsteigern, die bisher Pauschalreisen gebucht haben und jetzt Billigflieger mit selbst gebuchten Hotels kombinieren. Dazu kommen diejenigen, die sich relativ spontan entscheiden, zum Beispiel für ein Wochenende nach Pisa zu fliegen, oder Verwandte zu besuchen – weil das günstig möglich ist.

Das Reisen wird spontaner und individueller.

Das ist richtig, man muss aber auch sehen, welche Gruppen das betrifft. Die Jüngeren haben ein überdurchschnittliches Interesse an Billigflügen, und auch Leute mit besserer Ausbildung, die sich eher mal einen Wochenendtrip leisten können. Auch muss man Zugang zum Internet haben: Viele günstige Flüge kann man nur im Web buchen.

Haben die individuellen Wochenendtrips nach Budapest oder Barcelona unsere Vorstellung vom Reisen, von Raum und Entfernung verändert?


Die Vorstellung von Raum hat sich generell durchs Fliegen verändert. Die Reiseziele sind vielfältiger geworden, die Reisen selbst kürzer. Wenn man nur eine Woche Zeit hatte, kamen früher viele Ziele gar nicht in Frage, weil sich die Anreise nicht lohnte. Das ist anders geworden – aber schon seit den Charterfliegern in den 1960er Jahren. Mit den Billigfliegern verstärkt sich die Überlegung: Hier oder da fliege ich einfach mal hin.

Was ist eigentlich der Reiz daran, das Wochenende in einer möglichst weit entfernten Stadt zu verbringen?

Die Motive, warum die Leute weg wollen aus ihrem Alltag, kennt man gut – warum spezielle Reiseziele gewählt werden, ist wenig erforscht. Der Preis ist in Deutschland ein starkes Kriterium, wenn andere Aspekte stimmen. Bei Reisen ans Mittelmeer kommt es darauf an, dass man Sonne und Strand hat – ob es dann die Türkei oder Spanien wird, ist oft eine Frage des Preises. Viele Großstädte haben per se einen großen Reiz, und sobald es möglich ist, ein Wochenende dort zu verbringen, wird das wegen des günstigen Preises wahrgenommen.

Angeblich soll es bald die ersten Billigflüge für 99 Euro in die USA geben. Gehört dann der Wochenendtrip nach New York oder Neu Delhi auch zum Alltag?

Das hängt sehr vom finanziellen und zeitlichen Aufwand ab. Neu Delhi zum Beispiel werden Sie am Wochenende gar nicht machen können – da sind Sie zu lange unterwegs. Nach New York fliegen Sie acht Stunden, das ist auch schon eine Menge. Aber wenn die Preise entsprechend sinken sollten, würde ich das trotzdem für möglich halten.
New York ist ein sehr attraktives Reiseziel, die Unterbringung ist aber relativ teuer – wenn man über Nacht hin und zurück fliegt und nur eine Nacht dort ist, dann kann man tatsächlich ein ganzes Wochenende dort verbringen. Wie man sich anschließend fühlt, ist allerdings eine andere Frage.

Interview : Thomas Goebel

Daniel Braunschweig, Jahrgang 1968, ist Reisesoziologe. Er lehrt an der Universität Bonn und arbeitet an einer Promotion zu Reisemotiven


»Billig-Airlines funktionieren wie Aldi«

Der Mobilitätsexperte Karl-Otto Schallaböck über Konkurrenzkampf, Flugsicherheit und eingesparte Kinkerlitzchen

StadtRevue: Häufig fällt beim Thema Billigflieger der Satz: Von den Preisen können die doch noch nicht mal ihr Kerosin bezahlen. Stimmt das?

Schallaböck: Das stimmt so nicht. Je nach Anzahl der Passagiere können schon Tickets um die 20 Euro Treibstoffkosten deckend sein. Dazu muss man allerdings wissen, dass Kerosin, zumindest bei Auslandsflügen, steuerfrei ist. Die Gesellschaften zahlen dann keine Mineralölsteuer und keine Mehrwertsteuer.

Trotzdem müssen die Gesellschaften doch auch auf vielen Ebenen Einsparungen machen, um wirklich kostendeckend zu arbeiten.

Gespart wird an allen Ecken und Enden. »No frills« – auf Deutsch: keine Kinkerlitzchen – ist der englische Name für Billig-Airlines. In dem Maß, in dem sich der Flugverkehr trivialisiert, d.h. für eine größer Zielgruppe erschwinglich wird, werden auch die Serviceleistungen gestrichen. Der Konkurrenzdruck ist sehr hoch, darum wird auch innerhalb des Unternehmens durch die Bank geschaut, wo man einsparen kann.

Germanwings-Personal arbeitet in Container-Büros...

Eine Billig-Airline muss nicht in einem hochherrschaftlichen Gebäude residieren. Das funktioniert wie im Supermarkt. Bei Discountern wie Aldi oder Lidl sieht es auch anders aus, als wenn Sie im KDW einkaufen, die Ware ist aber billiger. Das nächste wichtige Sparpotential ist der Verkauf von Tickets, der fast ausschließlich übers Internet läuft. Man sollte übrigens nicht damit rechnen, dass das Wachstum des Flughafens einen überragenden Beschäftigungseffekt haben wird. Beim gesamten Flugpersonal wird rationalisiert. Und oft wird vergessen, dass durch die Billigflüge auch Arbeitsplätze – etwa in Reisebüros – verloren gehen, weil sie überflüssig werden.

Man liest immer wieder, dass auch bei der Sicherheit gespart wird.

Man muss davon ausgehen, dass die Billigflieger kein wesentlich schlechteres Sicherheitssystem aufweisen. Ein einzelnes Flugzeug stellt einen sehr hohen materiellen Wert da. Das Risiko,
einen Flieger zu verlieren und darüber hinaus in Schadensersatzforderungen verwickelt zu werden, wäre enorm. Das versucht jede Fluggesellschaft zu vermeiden. Wir müssen sicherlich mit einer Steigerung der Zwischenfälle rechnen, was aber an der steigenden Zahl der Flüge an sich liegt. Das Sicherheitsniveau bei einem einzelnen Flug wird eher höher.

Wie viele Airlines werden denn bei dem harten Kokurrenzkampf überleben?

Das ist schwer zu sagen. Die Airlines fahren alle ihre eigene Strategie. Momentan versuchen sie alle, ihre Preise und Kosten weiter zu senken. Klar ist, dass nicht alle Beteiligten überleben werden. Bevor sich der Markt stabilisiert, werden wahrscheinlich erst noch mehr Mitbewerber auftreten.

Besteht nach so einer Stabilisierung nicht die Gefahr, dass der Kölner Flughafen, der zurzeit ja vor allem durch die Billig-Airlines boomt, irgendwann brach liegt?

Ich war immer eher skeptisch, was die hohen Erwartungen beim Frachtverkehr betrifft. Beim Passagierflug, vor allem dem Billigflug, bin ich mir relativ sicher, dass es eine weitere Nachfrageausweitung gibt. Köln ist unter flugtechnischen Gesichtspunkten höherwertig einzuschätzen als Düsseldorf, weil es zum Beispiel längere Startbahnen gibt. Trotzdem hat Düsseldorf drei Mal mehr Fluggäste als Köln. Das zeigt, welche Kapazitäten hier noch vorhanden sind.

Interview: Conny Crumbach

Dr. Karl-Otto Schallaböck leitet die Forschungsgruppe für Mobilitätsstrukturen des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie.


Außerdem in der aktuellen StadtRevue: Eine Reportage vom Ort des Geschehens: Hans D. Rieveler war am Köln/Bonner Flughafen und berichtet von Veränderungen für Passagiere und Mitarbeiter. Und: Ein Gespräch Thema Billigflieger und Umwelt.