Daheim sterben die Leute nicht

Die neu gegründeten Theaterteams Futur-3 und Drama Köln e.V. engagieren sich mit frischen Theaterideen in der Stadt – auch im Sommer

»Wenn die Leute nicht ins Theater kommen, muss das Theater eben zu den Leuten gehen«, sagt Stefan H. Kraft vom neuen Theaterlabel »Futur-3«. Unter dem Titel »Citybeats« bringt er zusammen mit André Erlen und Klaus Maria Zehe seit Mai Theater an ungewöhnliche Orte. Nach dem Auftakt unter dem Titel »Gast in der Stadt« im Frühstücksraum eines Hotels zeigten sie ihre Theaterminiaturen in einer Privatwohnung (»Privat in der Stadt«) und im Grüngürtel (»Natur in der Stadt«). Nach einer kurzen Sommerpause sind ab September vier weitere Veranstaltungen geplant, u.a. zu den Themen »Arbeit«, »Kneipe« und »Gott in der Stadt«. Kraft und seine Kollegen sehen ihre Reihe als Experimentierfeld für verschiedene Theaterprinzipen und entwickeln die jeweilige Performance innerhalb von zwei Wochen für den ausgewählten Ort.
Kennen gelernt haben sich die drei vor einigen Jahren ausgerechnet im kulturell sonst eher nach Köln orientierten Pulheim – als Schauspieler im »Actors Studio« des Polen Michal Nocon. Nach weltweiten Gastspielen mit den Pulheimer Produktionen will sich das Futur-3-Team mit »Citybeats« nun gezielt auf »seine« Stadt konzentrieren: »Köln ist unser Lebensmittelpunkt. Wir mögen die Stadt und wollen hier etwas machen«, sagt Klaus Zehe, im Hauptberuf Lehrer an einer Düsseldorfer Gesamtschule. Auch für Stefan H. Kraft ist die Domstadt Theaterneuland. Zwar hat er seine ersten Bühnenerfahrungen an der hiesigen Studiobühne gemacht, ist dann aber zehn Jahre lang als Schauspieler mit dem Berner »Théâtre pour le Moment« durch die Welt gereist.
Die ersten Erfahrungen mit dem Theatermachen in Köln sind für Kraft und seine Kollegen positiv: Für das überzeugende »Citybeats«-Konzept gab es Geld aus gleich drei Fördertöpfen von Land, Stadt und SK Stiftung. Neben
weiteren Produktionen des Labels ist für das kommende Jahr eine Neuauflage der Reihe geplant. Spätestens seit der Teilnahme am diesjährigen NRW-Festival Theaterzwang steht die Gruppe auch in Kontakt mit anderen Kölner Theatern. Zukünftige Kooperationen sind nicht ausgeschlossen.
Mit Malte Jelden und Oliver Krietsch-Matzura von »Drama Köln e.V.« ist Futur-3 bisher noch nicht zusammengetroffen. Dabei gäbe es Gemeinsamkeiten zu entdecken. Auch Drama Köln ist noch eine junge Pflanze in der hiesigen Theaterlandschaft. Anlässlich der Theaternacht 2003 riefen die beiden Neu- bzw. Wieder-Kölner und Dozenten der Arturo-Schauspielschule einen Autorenwettbewerb aus. Die Sieger-Texte wurden als »Stücke für eine Nacht« von zehn RegisseurInnen mit Schauspielschülern in verschiedenen Räumen des Crowne Plaza Hotels am Rudolfplatz aufgeführt.
Beflügelt durch den Erfolg gründeten Jelden und Krietsch-Matzura einen Verein und starteten im März die Reihe »Kulturshoppen«, die seitdem an jedem zweiten Sonntagvormittag Kulturschaffende aller Sparten im »Paul’s Club« des Crowne Plaza Hotels zusammenbringen will. Die beiden verstehen den »Kulturshoppen« nicht als Unterhaltungsprogramm mit Gratis-Kaffee (den es auch gibt). Vielmehr wollen sie einen Rahmen schaffen, den die Teilnehmer selbst füllen müssen – als Möglichkeit zur Vorab-Präsentation aktueller Produktionen und zum Erfahrungs- und Ideenaustausch innerhalb der Szene. Doch das Angebot wird nicht immer verstanden, bemängeln die Initiatoren. Ein Problem: Manche Theaterleute nutzen »Kulturshoppen« nur als Werbeplattform für sich und ihre aktuellen Produktionen und verschwinden nach ihrem »Auftritt« sofort wieder. Malte Jelden folgert daraus: »Wenn ›Kulturshoppen‹ langweilig ist, dann auch, weil die Kölner Theaterlandschaft langweilig ist«. Vielleicht ist der ganze Austauschgedanke des Projekts zu idealistisch? In jedem Fall dürfte
die mangelnde Attraktivität des Raums im Paul’s Club sich negativ auswirken.
Trotz der Schwierigkeiten beim »Kulturshoppen« hat sich Drama Köln bereits ein neues Format ausgedacht. Mit ihrem »Ferienlager« auf dem Dach des Crowne Plaza Hotels wollen sie das Sommerloch mit einem dichten Kulturprogramm füllen. Im Zentrum stehen drei Uraufführungen von Auftragsarbeiten der »Drama Köln 2003«-Preisträger aus der Theaternacht. Die vierwöchige Reihe startet am 22. Juli und riskiert es, die Dachterrasse jeden Abend bis Mitternacht zu bespielen. Neben den Aufführungen sind Lesungen (mit Poetry DJ), Konzerte sowie Gastspiele des Filmclub 813, des Uni-Radios KölnCampus und des Talkformats »Kukulistisches Nachtcafé« von der Berliner Schaubühne angekündigt.
Nach der Sommerpause soll es – an neuem Ort – auch mit dem »Kulturshoppen« weitergehen, und für das nächste Jahr ist mit »Drama on Demand« eine Art Theater-Lieferservice mit den Siegertexten des diesjährigen Autorenwettbewerbs geplant. Von der derzeit viel bejammerten Krise der Kölner Kultur und den damit verbundenen Unsicherheiten fühlen sich die neuen Kölner Macher, ob Futur-3 oder Drama Köln, mehr angespornt als ausgebremst. Malte Jelden: »Es gäbe keinen besseren Zeitpunkt, aktiv zu werden.«

Info
Die Reihe »ferienlager« von Drama Köln e.V. läuft von 22.7. bis 22.8 auf der Dachterrasse des Crowne Plaza Hotels/Rudolfplatz (bei schlechtem Wetter im Hotel), Einlass ab 20 Uhr. Vollständige Termine: s. Tageskalender und www.ferienlager-04.de, Karten: 0221/ 2280.
Futur-3 zeigt den nächsten Teil aus der Reihe
»Citybeats« am 29. September unter dem Titel »Arbeit in der Stadt«.