Foto: Manfred Wegener

Frühstück, Schule, Mittagessen

Im Juli hat »Amaro Kher«, ein Sozial- und Kulturzentrum für junge Roma,

mit der Arbeit begonnen. Das Projekt steht für ein neues Element in der

restriktiven Kölner Flüchtlingspolitik

»Amaro Kher« ist Romanes und heißt »Unser Haus«. Noch ist »Unser Haus« nur eine Holzbaracke am Venloer Wall: ein großer Raum, ein kleiner Raum, Küche und Toiletten. Das unscheinbare, zwischen Bäumen versteckte Gebäude am Bahndamm ist dennoch ein deutliches Zeichen für ein neues Element in der städtischen Flüchtlingspolitik. Denn hier begann mit einem Ferienprogramm am 21. Juli das Projekt »Amaro Kher«, ein Sozial- und Kulturzentrum für Roma-Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren.

Repression funktioniert nicht

Nach den Sommerferien starten auch zwei Schulklassen in der Holzbaracke, dazu kommen gemeinsames Mittagessen, Hausaufgabenhilfe, Betreuung, Spiel. »Wir wollen nicht nur fordern, sondern auch fördern«, erklärt Klaus-Peter Völlmecke, zuständiger Abteilungsleiter im städtischen Jugendamt, den pädagogischen Erkenntnisgewinn der Stadt. »Reine Repression funktioniert nicht.«
»Ich hatte Phasen wo ich dachte: Das kriegen wir nie hin«, sagt Renate Graffmann vom Vorstand des Rom e.V. Der Kölner Verein berät und betreut seit Jahren Roma-Flüchtlinge. Doch seit die Stadt den Rom e.V. als Träger von »Amaro Kher« benannt hat, herrscht Euphorie: »Wir sind voller Tatendrang!« Das Konzept steht – der Tages-ablauf in der Holzbaracke zum Beginn des nächsten Schuljahres auch: Er beginnt um neun Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück, ab halb zehn folgt der Unterricht in zwei Gruppen: die 6- bis 13-Jährigen in der einen, die 14- bis 17-Jährigen in der anderen. Um eins gibt es Mittagessen, danach die Nachmittagsbetreuung.
»Die Gruppen sollen auf die Regelschule hinführen«, sagt Graffmann. Das bedeute zum Teil erst einmal: Alphabetisierung. »Manche der Kinder kennen noch gar keine Schule von innen.« Die zum Teil schwierigen Wohn- und Familienverhältnisse kämen erschwerend hinzu. Auch die Familien der Kinder sollen deshalb einbezogen werden – etwa bei der Zubereitung des gemeinsamen Mittagessens und den Freizeit- und Hilfsangeboten am Nachmittag. »Auch das Romanes, die Roma-Sprache, soll nicht unterdrückt, sondern gefördert werden«, sagt Graffmann. So werden die Kinder von deutschen und Roma-Mitarbeitern unterrichtet und betreut.

Unterstützungsangebote für Familien

»Amaro Kher« ist Teil eines Vier-Stufen-Konzepts der Stadt Köln, in dessen Zentrum die so genannten Klau-Kids stehen, also jugendliche Taschendiebe. In den ersten drei Stufen des Konzeptes geht es um die Verteilung illegal eingereister Menschen auf verschiedene Kommunen, um Maßnahmen gegen die Eltern von straffälligen Kindern und um die strafrechtliche Verfolgung von Jugendlichen. Zur vierten Stufe gehört »Amaro Kher«. »Wir müssen den Familien Unterstützungsangebote machen«, sagt Klaus-Peter Völlmecke vom Jugendamt. Neben dem zentralen Haus am Venloer Wall werde es auch Betreuungsangebote in sechs Flüchtlingswohnheimen geben, die zum Beispiel von der Diakonie, dem Sozialdienst Katholischer Männer und dem Verein Kindernöte getragen werden.
Dass Unterstützung notwendig ist, weiß Renate Graffmann schon lange. Etwa 2500 Roma-Kinder leben in Köln. Als Flüchtlinge mit unklarem Aufenthaltsstatus unterliegen sie nicht der Schulpflicht, leben häufig unterhalb der Armutsgrenze in den beengten Verhältnissen der Flüchtlingswohnheime, werden kaum sozialarbeiterisch betreut. »Vielleicht 30 dieser 2500 Kinder sind so genannte Klau-Kids«, sagt Graffmann. Sie sieht Amaro Kher deshalb »nicht nur als Projekt zur Bekämpfung der Kleinkriminalität«. Es gehe auch »um das Recht der Kinder, kindgerecht behandelt zu werden«.

Vorbild aus Frankfurt

»Amaro Kher« bietet zunächst nur Platz für etwa 15 Kinder. Wenn das Projekt wie geplant aus der Holzbaracke in die benachbarten städtischen Gebäude umzieht, soll noch ein Kindergarten dazu kommen – konzipiert ist die Einrichtung für insgesamt 60 Kinder und Jugendliche. Die Finanzierung steht für drei Jahre; die beiden Lehrerstellen des Projekts werden vom Land NRW bezahlt, dazu kommen städtische Zuschüsse und Spenden von Bürgern, zum Beispiel über die Aktion »Wir helfen« des Kölner Stadt-Anzeigers.
Vorbild von »Amaro Kher« ist die Frankfurter Einrichtung »Schaworalle« (»Hallo Kinder«), die schon 1996 mit der Arbeit begann. »Viel geändert« habe sich seitdem, sagt Leiterin Sabine Ernst: »Wir bieten den Kindern eine sinnvolle Beschäftigung, die Stadt ist sensibler geworden, und auch die Roma-Familien haben Vertrauen aufgebaut und dazugelernt.« Trotz fehlender Schulpflicht gehen fast alle Frankfurter Roma-Kinder inzwischen zur Schule.
Die größte Belastung ihrer Arbeit, sagt Ernst, sei das fehlende Bleiberecht selbst für Familien, die schon seit Jahren in Deutschland leben. »Die unklare Perspektive ist eine Katastrophe, das werden sie in Köln auch merken. Da hat man ein Kind so weit, dass es auf die Regelschule gehen kann – und drei Monate später kommt die Abschiebung.«


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