Unendlicher Spaß

 

Köln ist eine Hochburg der Migranten Comedy — mittlerweile auch im Kino

Das Kölner Naturell hat scheinbar einen eigenen deutschtürkischen Humor hervorgebracht: Es gibt ein Migranten-Comedy-Festival, Jürgen Becker zelebriert mit deutschtürkischen und anderen Talenten »Kabarett am Minarett« und Fatih Cevikollu, ehemals Sidekick in der Comedyserie »Alles Atze«, ist längst eine überregionale Kabarett-Größe. Jetzt ist das Kino dran: Zwei Komödien von Kölner Filmemachern strapazieren unterschiedlich stark das ursprünglich gesellschaftskritische Konzept des deutschtürkischen Kinos.

 

In »300 Worte Deutsch« von Züli Aladag entdeckt der neue Leiter des Kölner Ausländeramtes Dr. Sarheimer, dass ein Imam jungen Männern Bräute aus der türkischen Heimat vermittelt — und dass deren Nachweise über erforderliche Deutschkenntnisse gefälscht sind. Der Amtsleiter will »den Kanaken einen Riegel vorschieben« und verlangt, innerhalb von zwei Wochen den »Importbräuten« die obligatorischen 300 Wörter Deutsch einzutrichtern. Derweil widersetzt sich ausgerechnet Lale, die Tochter des Imams, allen Versuchen, sie standesgemäß zu verkuppeln — und verliebt sich in eine »Kartoffel«: Marc, den Neffen des Ekelpakets Dr. Sarheimer.

 

Züli Aladag, Absolvent der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) und Grimmepreisträger, hat sich bislang weniger durch Humor hervorgetan — stattdessen mit Filmen wie »Wut«, in dem ein delinquenter Deutschtürke eine deutsche Familie terrorisiert. -Aladag war zudem Produzent des Ehrenmord-Dramas »Die Fremde«, das die Grenze zwischen Migrant und Mehrheit messerscharf zieht.

 

Genau auf dieser Grenze operieren erfolgreiche Culture-Clash-Komödien wie »Türkisch für Anfänger« oder »Die Töchter des Monsieur Claude«. Sie unterhalten mit Missverständnissen, Peinlichkeiten, Tabubrüchen und enden mit tatsächlicher Überschreitung oder einer künstlichen Harmonisierung der behaupteten Gegensätze. »300 Worte Deutsch« bewegt sich zwar in diesem Rahmen. Aber der Film individualisiert oder ignoriert die Kulturkonflikte sympathischerweise, sobald die Pointe näher ist als die Botschaft.

 

Der zotige, transgressive Wortwitz von »300 Worte Deutsch« ist dem Drehbuch von Ali Samadi Ahadi zuzurechnen: Der in Köln lebende Deutsch-Iraner hat in Culture-Clash-Filmen wie »Salami Aleikum« und »Die Mamba« ungleiche bis unmögliche Liebespaare zum Happy End geführt. Ahadi zeigte so, dass multikul-turelles Zusammenleben auch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. 

 

In Aladags »300 Worte Deutsch« zeigt sich der Aberwitz alles Nationalen bei schrägen Schlesier-Treffen und versuchter Beamtenbestechung mittels Orientteppich. Die Aufweichung klarer kultureller Grenzen wird mit allerlei Mundart und Regionalismen vorgeführt. Etwa mit einem eventuell schwulen, auf jeden Fall aber in Köln wie in der Zwangsehe deplatzierten Wiener Türken. Aus dem Leidenskollektiv der »Importbräute« werden eigenständige Individuen, denen Lale die Sprache (»Männer — sind — Schweine«), aber auch Kampfkunst für den Umgang mit ihren Gatten beibringt. Leider bleiben die dramaturgischen Nahtstellen zwischen den lustigen Szenen sichtbar. So schmeckt das Ganze bisweilen nach Sketchparade im Fernsehen.

 

Während »300 Worte Deutsch« eindeutig in Köln verortet ist — Uni, Agnesviertel, ein zauberhafter Panorama-Shot über den Rhein hinweg —, spielt Sinan Akkus’ »Drei Türken und ein Baby« in Frankfurt, erkennbar vor allem an der Skyline mit den Bankentürmen. Celal, Sami und Mesut sind drei noch nicht ausgereifte Brüder, die Geld auftreiben müssen, um die Zwangsräumung ihres Brautmode-Ladens abzuwenden. Dabei geraten sie an das Baby einer verunglückten Ex-Freundin von Celal. Dieser verzockt das wenige Restgeld im Casino, verdingt sich in seiner Not zunächst als männliche Hostess und schließlich als Einbrecher. Sami besucht wegen seiner Ausraster einen Anti-Aggressionskurs, Mesut durchleidet die offenkundigste Identitätskrise: Der Musiker in einer lausigen Cowboy-Punk-Band fühlt sich eigentlich zum Islam hingezogen, was aber etwa durch Versuche, dem Baby ein Kopftuch aufzusetzen, eher unernst gerät.

 

Die Besetzung verrät eine Orientierung am Mainstream-Publikum: Den verhinderten Musiker Mesut spielt der Kölner Rapper Eko Fresh (»Köln, Kalk, Ehrenmord«), Nebenrollen sind mit Jungstars des neuen Leitmediums Internet besetzt: Neben Social-Networker Hans Sarpei spielen Simon Desue, Celo & Abdi und Joyce Ilg mit — Kölner Youtuber, deren Video-Accounts millionenfach geklickt werden.

 

Mit dieser Ausrichtung fokussiert Akkus nicht mehr auf den Bildungsbürger, den typischen Zuschauer des deutschtürkischen Films, der im Kino dem oft verzweifelten Aufbäumen der Jüngeren gegen die traditionalistischen Älteren zusah; der Prozentsatz türkeistämmiger Kinogänger ist bei diesem Genre meist zu vernachlässigen . Die »drei Türken« aber leben selbst im gesellschaftlichen Mainstream. Ihre Probleme sind finanzieller, also allgemeiner Natur, und ihre Eltern besuchen sie nur noch am Grab.

 

Diese vorrangige Ausrichtung mag unpolitisch erscheinen. Dass aber sowohl »300 Worte Deutsch« als auch »Drei Türken und ein Baby« die Formeln des deutschtürkischen Kinos aushöhlen, oder sogar links liegen lassen, ist angesichts der Notwendigkeit, neu über die Migrationsgesellschaft nachzudenken, vielleicht sogar wegweisend.