Der Streit ist eröffnet: Stefan Weidner

Von Harlem in die Kölner Moschee

Es gibt eine Linie von Henryk M. Broder zu Pegida, und sie heißt Islamkritik: "Anti-Pegida" von Stefan Weidner.

Es gibt eine Linie von Henryk M. Broder zu Pegida, und sie heißt »Islamkritik«. Das meint zumindest der Kölner Schriftsteller Stefan Weidner, der seit langem über die gegenseitige Wahrnehmung von Islam und westlicher Welt forscht und schreibt. Wobei man mit dieser Formulierung schon gleich mittendrin ist im Problem. Denn die Islamkritik erschafft sich ihren Gegenstand, einen »Islam« mit »unveränderlichem Wesenskern«, so Weidner in seinem gerade veröffentlichten Essay »Anti-Pegida! Eine Streitschrift«. Weidner entdeckt diese Form von Islamkritik bei so unterschiedlichen Autoren wie dem Historiker Dan Diner, Pegida-Unterstützer Udo Ulfkotte oder Emma-Chefin Alice Schwarzer. 

Weidner sieht Islamkritik nicht an einer empirisch fundierten Kritik der regional, sozial und historisch unterschiedlichen Aneignungen der islamischen Schriften interessiert, die über einen Zeitraum von 1400 Jahren an Orten wie dem Harlemer Tempel von Malcolm X, der Schreibstube des Mathematikers Muhammed al-Chwarizmi oder dem Freitagsgebet in einer beliebigen Kölner Moschee entstanden sind. Stattdessen konstruiert sie eine binäre Opposition (der Westen vs. der Islam), deren Pole mithin unvereinbar erscheinen sollen. 

 

Ein überzeugendes Beispiel Weidners dafür ist seine Beschreibung des Begriffs der »Aufklärung«, welche als dem Islam fremd beschrieben wird. Aufklärung wird so zur genuinen Eigenschaft des »Westens« und verliert damit ihren Charakter als Prozess des Zweifelns und der Erkenntnis, der auch im Westen permanent verteidigt werden muss — mitunter gegen diejenigen, die Religionskritik mit Ressentiment verwechseln. »Islamkritik funktioniert wie ein Glaube voller Dogmen«, schreibt Weidner. 

 

Weidner umkreist sein Thema kursorisch anhand von Denkfiguren und argumentiert theoretisch auf Augenhöhe mit der von ihm kritisierten Islamkritik. Dabei wird es stellenweise unübersichtlich, zumal er nur wenig Wert darauf legt, das Aufkommen der Islam-kritik in der bundesdeutschen Geschichte zu historisieren. Aber es ist halt auch eine Streitschrift, keine wissenschaftliche Untersuchung. Von daher: Der Streit ist eröffnet.