netzmusik #30

Gute Musik aus dem Netz

Ana Bogner. »Multiple ­Proportions« (Headphonica)
headphonica.com/?p=1608
Headphonica, das verstörende Netlabel aus Weimar, ist zurück. Allerdings nur mit einer EP. Das ist schade, denn es ist ganz wunderbare Musik, von der wir gerne mehr also nur vier Stücke hören würden. Wenn auf diesem Label etwas »confusing« (Eigenbeschreibung) ist, ist es die Eindringlichkeit der veröffentlichten Musik (wir erinnern uns noch an Jan Grünfeld und Phonotrash in Netzmusik #5). Ana Bogner, 26 Jahre jung, überzeugt auf ihrem Debüt mit intimen, minimalistischen Stücken, die sie in ihrem Berliner Heimstudio produziert und die — sorry für die Phrase — wirklich unter die Haut gehen. Selten — und dann sehr gezielt — geben sich Musik und Gesang prätentiös, dann wieder authentisch, mal von einladender Wärme, dann wieder gespenstisch und dunkel. Tom Ray vom Music Manumit Podcast nennt es gar »Lynchian«. Wir würden sagen: Langsamer, minimaler Zukunftsfolkambient, oder so. Der Minimalismus ist gegeben: Ana Bogner arbeitet mit einem Acht-Spur-Rekorder, gefundenen Klängen, ihrer Stimme, Gitarre, sparsam eingesetzter Elektronik, Effekten und nutzt dieses Setup auch für ihre Liveauftritte. Beweis dafür, dass es beim Musikmachen nicht auf teures Equipment, sondern auf Kreativität und Persönlichkeit ankommt. Beides ist bei Frau Bogner konzentriert vorhanden. Ein digitales, volles Album wurde uns übrigens für irgendwann in 2015 versprochen, was auch auf ein Fortbestehen des tollen Headphonica-Labels hoffen lässt.

 

»Five Years of Subbass Netlabel«
subbass.bandcamp.com/album/five-years-of

»Klotzen statt Kleckern« hat sich das Heidelberger Subbass Netlabel wohl gedacht und fünfzig Tracks von fünfzig Künstlern aus fünf Jahren Labelgeschichte zusammengepackt. Alles natürlich im Zeichen der tiefen Frequenzen, also nix fürs Küchenradio oder Handylautsprecher. Die meisten Tracks lassen sich unter »Dubstep from Germany« einsortieren und stehen in Sounddesign und Ideenreichtum den englischen Vorbildern in nichts nach. Aufgelockert wird es durch Tracks aus der »Ethnostep«-Serie des Labels, die weniger kitschig klingen als der Oberbegriff vermuten lässt und für manche Überraschung gut sind. Obwohl die Tracks bizarrerweise alphabetisch angeordnet sind, lassen sie sich gut durchhören.

 

Outsider Leisure, »Hate Is A Verb« (pickpack)
picpack.bandcamp.com/album/hate-is-a-verb


Hochgradig verstörende Musik, deren Wirkung an den aus der Robotik bekannte Uncanny-Valley Effekt erinnert. Die Tracks bewegen sich im unheimlichen Tal zwischen komplexen Strukturen der neuen E-Musik und naiv-poppigen Presetklängen billiger Klangerzeuger. Ohne Rücksicht darauf, ob das sinnvoll ist  oder nicht. Keine Ahnung, ob das nun bewusste Verweigerung und Cyberpunk ist oder einfach nur naive Ignoranz und Dilettantismus. Vielleicht sind es ja auch Soundtracks für ganz krude psychotropische Horrorfilme, die nur unter der Ladentheke gehandelt werden. Über den Künstler aus Russland ist nichts rauszukriegen, die Hälfte der Titel ist auf Kyrillisch. Alles sehr sonderbar und wunderbar.