Albtraum Kindchenschema

Kitschkünstler-Melodram: Big Eyes von Tim Burton

Man muss gar nicht das abgenudelte Bild vom »Fenster zur Seele« bringen, um zu wissen, dass wenig so intim ist wie ein tiefer Blick in die Augen. Mit einem solchen beginnt »Big Eyes«. Mit seiner Verbeugung vor der für ihre traurigen Glupschaugenkinder-Porträts bekannten Malerin Margaret Keane zeigt sich Tim Burton nach einer längeren Durststrecke endlich wieder als großer Sensibilist. Dass hier kein großes Budget, kein Blockbuster-Druck, kein Johnny Depp und keine Helena Bonham Carter auf dem Film lasten und Burton seine üblichen Manierismen sichtlich im Zaum hält, hat der Sache gut getan.

 

Der tiefe Blick in die Augen in der ersten Einstellung erweist sich als Kunstgewerbe-Albtraum: Die Kamera zieht auf, zeigt scheinbar ein Gemälde, das sich dann aber als Kunstdruck zu erkennen gibt — als einer von vielen. Eine Druckmaschine spuckt im vollen Schwung so unnachgiebig wie der Kapitalismus eine Kopie nach der anderen aus, jede mit Urheberrechtsvermerk. Vom authentischen künstlerischen Ausdruck zu dessen Banalisierung unter den Bedingungen eines gleichgültigen Wirtschaftssystems — wie Burton den Kern seines Films gleich zu Beginn ins Bild setzt, ist fabelhaft. Und nach seiner künstlerischen Bruchlandung im Blockbustersegment mit »Planet der Affen« und »Alice im Wunderland« darf man dieses Intro wohl auch als persönliches Statement auffassen.

 

Auch ansonsten ist Burton ganz auf der Höhe der Kunst: Die schier unglaubliche Geschichte von Margaret Keane (Amy Adams) erzählt er mit sanften Anklängen an die Melodramen Douglas Sirks. Ende der 50er Jahre bricht die Malerin aus ihrem Eheknast aus und gerät an einen schmierigen Möchtegernkünstler (Christoph Waltz), der sie vom Fleck weg heiratet. Zu allem Überfluss erweist er sich auch noch als skrupelloser Geschäftsmann und Ego-Gockel, der ihre Bilder hemmungslos als die eigenen vermarktet.

 

Doch es bleibt nicht beim melodramatischen Bild einer leidenden Frau: Wie sich Keane ihr Leben und ihre Kunst mittels eines Gerichtsverfahrens zurückholt, ist auch die Geschichte einer Ermächtigung. Zu den komödiantischen Höhepunkten des jungen Kinojahres zählt die Gerichtsszene, in der Waltz seine mittlerweile eher berüchtigte Schmierigkeit noch einmal zum Gewinn eines Films in rauen Mengen darbietet: Diese Demontage eines Narzissten ist famos!

 


Big Eyes (dto) USA 2014, R: Tim Burton, D: Amy Adams, Christoph Waltz,
Krysten Ritter, 107 Min. Start: 23.4.