Für alle, die's nicht wissen: Das haben die Nazis aus Köln gemacht Foto: Wikimedia

8. Mai: Ruhe an der Erinnerungsfront?

Köln gedenkt der Befreiung vom Faschismus. Was bedeutet der 8. Mai heute?


Die großen Schlachten sind geschlagen. Wenn am 8. Mai der siebzigste Jahrestag der bedingungslosen deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg begangen wird, dann steht fest: Der 8. Mai war eine Befreiung vom Faschismus. 1985 diskutierte die Republik noch die Frage "Niederlage oder Befreiung", 1995 wurde die Rolle der Wehrmacht bei den Nazi-Verbrechen einer breiten Öffentlichkeit bekannt und vor zehn Jahren führte man eine erbitterte Debatte über die Legitimität der Bombenangriffe auf deutsche Städte. 2015 herrscht dagegen Ruhe an der Erinnerungsfront. Bis auf die radikale Rechte, die immer wieder "Opa war in Ordnung" skandiert, haben die Deutschen in der dritten Nachkriegsgeneration ihre Schuld akzeptiert — zumindest vordergründig.

Denn mit dieser Akzeptanz geht eine neue Form der Identitätsbildung einher: die intensive Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit wird zum Test für das erfolgreiche Deutschsein. Das legt zumindest eine Studie von Rosa Fava nahe, die am Jüdischen Museum in Berlin arbeitet. Durch spezielle Erinnerungspädagogik für Migranten unterstelle man diesen, dass sie sich aufgrund ihrer Familiengeschichte nicht so stark mit dem Holocaust auseinandersetzen würden.

Dabei gebe es sowohl bei Deutschen mit als auch ohne Migrationshintergrund eklatante Wissenslücken beim Thema NS-Zeit, etwa über die Kontinuität des Faschismus in der Nachkriegs-BRD und der Nachkriegs-DDR. Die Befreiung vom Faschismus war eben keine Befreiung von den Faschisten. Damit entspricht Favas Befund dem Konsens unter Historikern und Pädagogen, die seit rund einem Jahrzehnt den Rückgang historischen Wissens über die NS-Zeit konstatieren.

Viele Veranstaltungen im Gedenken an den 8. Mai in Köln widmen sich dann auch der Vermittlung historischer Fakten über Kriegs- und Nachkriegsperiode. Das NS-DOK etwa hat den britischen Historiker Richard Overy eingeladen, der eine empirische Studie über das alliierte und deutsche Bombardement durchgeführt hat. Ebenfalls dort wird die Duisburger Historikerin Leonie Treber über den langlebigen "Mythos Trümmerfrau" sprechen. Entgegen landläufiger Vorstellungen wurden in der britischen Zone, zu der auch Köln zählt, nur 0,3 Prozent der Frauen zum Abräumen des Kriegsschutts eingesetzt. Dieses historische Wissen steht der Fiktionalisierung der NS-Zeit im öffentlich-rechtlichen TV entgegen, die gerade in den Details immer wieder revisionistisch wird. In der ZDF-Serie "Unser Mütter, unsere Väter" etwa wird zwar an keiner Stelle die deutsche Verantwortung für Krieg und Holocaust geleugnet. Aber es werden lediglich SS und Sicherheitsdienst bei Kriegsverbrechen gezeigt und so die Legende der "sauberen Wehrmacht" wiederbelebt. 2015 ist der Erinnerungsdiskurs kein Kampf um die Deutungshoheit mehr, sondern einer des Überlieferns von Fakten.  

 

Auch in Köln wird in vielfältiger Weise an den 8.Mai 1945 erinnert. Wir dokumentieren hier einige Veranstaltungen:

 


Di, 5. Mai, 19 Uhr - NS-DOK / EL-DE-Haus
Antisemitismus: Historischer Überlick – Aktuelle Herausforderungen
Vortrag mit Dr. Gideon Botsch, Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam

Der Vortrag gibt einen Überblick über die historischen "Aufschichtungen" judenfeindlicher Phänomene seit der Antike und skizziert gegenwärtige Herausforderungen durch antisemitische Einstellungen, Propaganda und Aktionen.

 

Di., 5. Mai, 19.30 Uhr - im neuen AZ auf der Luxemburgerstraße –
"Der 8. Mai in der deutschen Erinnerungskultur:
Zwischen antifaschistischem Gedenken, Staatsraison und extrem rechter Vereinnahmung"
Referent: Michael Sturm (Münster), Historiker; Eine Veranstaltung der Antifaschistischen Koordination Köln und Umland (AKKU)


Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Das Datum hat seither in der bundesdeutschen Erinnerungskultur sehr unterschiedliche Deutungen erfahren. Wie soll sich eine kritische, antifaschistische Erinnerungskultur zu den unterschiedlichen Deutungsmustern und Vereinnahmungsversuchen positionieren, ohne dabei selbst das Datum in unangemessener Weise zu instrumentalisieren?



Do, 7. Mai 2015, 19.30 Uhr, EL-DE-Haus
Das Kriegsende aus europäischer Perspektive
Öffentlicher Vortrag von Richard Overy im Rahmen der Tagung „Opa war in Ordnung“


Der 8. Mai 1945 war nicht nur in Deutschland eine Zäsur, sondern in ganz Europa. In der BRD wurde lange Jahre mit gemischten Gefühlen dieses Datums gedacht, inzwischen gilt der 8.Mai weithin als Tag der Befreiung. Doch wie schauen unsere Nachbarn auf den Tag zurück, an dem der Krieg zu Ende ging? Und wie sah ihre Lebenssituation damals aus?

 

Do, 7. Mai, 14 Uhr EL-DE-Haus
Stadtführung: Köln im Bombenkrieg: Auf Spurensuche zur Zerstörung und NS-Planungen zum Wiederaufbau der Stadt
Prof. Dr. Dorothea Wiktorin (Uni Köln), Treffpunkt: Foyer des EL-DE-Haus


Die Stadtführung wird an verschiedenen Standorten zum einen die unterschiedlichen Strategien des Luftkrieges thematisieren und an markante Luftangriffe sowie deren Folgen erinnern. Zum anderen werden einzelne Planungen und konkrete Baumaßnahmen während des Krieges vorgestellt, die bereits Weichen für den späteren Wiederaufbau nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellten.

 


8. Mai 2015 · 16 Uhr · Köln · Hansaring (am Denkmal)
Kundgebung: 70 Jahre danach: 8. Mai – Tag der Befreiung und des Gedenkens an die Opfer des Faschismus

Es sprechen: Dr. Wolfgang Uellenberg van Dawen, Historiker und Sprecher des Runden Tisches für Integration ·
Ein/e Vertreter/in der Initiative "Keupstraße ist überall" · Musik + Literatur vom Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd

 

Der Demoaufruf findet sich hier 


70 Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches ist für alle Demokratinnen und Demokraten klar: Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg, der Tag der wiedergewonnenen Demokratie, er ist ein Tag gegen das Vergessen. Der 8. Mai fordert Gedenken und gleichzeitig unser Engagement gegen Rassismus und für ein tolerantes Köln!

 

 

Fr., 08. Mai 2015

 "Erinnern für Heute und Morgen" – ökumenischer Gottesdienst mit anschließender Gedenkfeier

 

18.00 h Ökumenischer Gottesdienst, Kirche St. Michael, Brüsseler Platz

 

19.15 h Gedenkfeier, Hiroshima-Nagasaki- Park

 

Veranstalter: Stadt Köln – Der Oberbürgermeister -, Ev. Kirchenverband Köln und Region, Kath. Stadtdekanat Köln, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Köl

 

 

Sa. 9. Mai 2015, 14 Uhr, Hans-Böckler-Platz

70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg: Für eine neue Entspannungspolitik, nein zur Vorbereitung auf neue Kriege!

 

An den 8. Mai 1945 zu erinnern, heißt heute mehr denn je, die uneingelösten Konsequenzen aus der Befreiung zu verwirklichen: für zivile Konfliktlösung und Verständigung statt Hetze und Eskalation; für Abrüstung und Rüstungskonversion statt Rüstungsproduktion und –exporte; für eine Wissenschaft und Bildung für den Frieden statt Rüstungsforschung und Kriegspropaganda. Wir sind dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: “Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Frieden und der Freiheit ist unser Ziel”.

Wir rufen deshalb auf, am 9. Mai gegen Krieg und Faschismus und für ziviele Konfliktlösungen und friedliches Zusammenleben zu demonstrieren:
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

 

Es rufen auf (Stand: 26.4.2015)
Attac Köln - Arbeitskreis Geopolitik und Frieden, Arbeitskreis Zivilklausel Köln, DFG-VK Köln, DIDF Köln, DKP Köln, Kölner Friedensforum, SDS Köln, VVN-BdA Köln...[weitere folgen]



Do. 28. Mai. 2015, 19.00 Uhr, EL-DE-Haus
Mythos Trümmerfrauen: Die Geschichte eines deutschen Erinnerungsortes. Vortrag und Diskussion mit Dr. Leonie Treber, Universität Duisburg-Essen.


Die "Trümmerfrau" gehört zum festen Repertoire nahezu jeder historischen Darstellung der Nachkriegszeit, ganz gleich ob in TV- und Printmedien, in Schulbüchern oder in Ausstellungen der historischen Museen. Der Vortrag spürt dem Mythos der "Trümmerfrauen" nach.