Genau 157 Jahre jünger als Robespierre: Orson Welles

Orson Welles zum 100.

Am ­6. Mai 1915 wur­de der Meister in Kenosha, Wisconsin geboren. Der Filmclub 813 widmet ihm eine Filmreihe

Über die Jahre ist es nicht leichter geworden, Orson Welles’ Kunst auf der Leinwand zu sehen. Sicher, mittlerweile sind quasi alle seine Spielfilme und viel Kleinkram auf DVD erhältlich. Vorhanden sind die Filme also. Genauso vorhanden aber ist auch eine Mauer aus Mythen- und Meinungsschutt, die den Blick auf das Werk verstellt.

 

Welles steht damit natürlich nicht allein, dem armen Sergej Ei­sen­stein zum Beispiel geht es auch nicht besser. Welles und Ei­sen­­stein haben eins gemeinsam: Sie sind so etwas wie Fixsterne auf allen möglichen ewigen Besten­lis­ten. Der ein oder andere erinnert sich vielleicht: Als es die Kölner Lupe 2 noch gab, hingen im Schaufenster oft Plakate von »Citizen Kane« (1941) und »Panzerkreuzer Potemkin« (1925), die den »besten Film der Welt« verhießen. Welches Werk hielte solchen Ansagen stand, welches Schaffen verkraftet diesen Druck?

 

Der Filmclub 813 erlaubt einem von Mai bis Juli, sich Welles’ Kino noch einmal zu stellen. Einen Grund gibt es auch: Vor hundert Jahren wur­de der Meister in Kenosha, Wisconsin geboren, und zwar am ­6. Mai. An diesem Tag wurde so mancher Revoluzzer zur Welt gebracht: Baader, Börne, Robbes­pierre. Das klingt frivol, hat aber einen ernsten Kern. Was man bei Welles immer unterschätzt oder zur Seite schiebt, ist sein politisches Engagement, seine linke Einstellung. Die Folgen, die das für seine Karriere hatte, werden gewöhnlich dem Klischee vom Lebemann und Bastler geopfert. Vielleicht sollte man sich sein Werk aber einmal in der Nachfolge Eisensteins als Versuch einer anderen politischen Kunst anschauen. Dann wirkt es wie ein Versuch, das konstruktivistisch-suprematistische Sowjet-Genie der 20er Jahre mit der progressiven US-Kunst der 30er Jahre kurzzuschließen und so ein Kino der angeregten Aufklärung und sinnlichen Dialektik zu gestalten. Welles’ Kafka-Verfilmung »The Trial« (1958) erzählt dann sehr viel Konkretes über die juristischen Ver­brechen der Dekade beiderseits des Eisernen Vor­hangs; »Othello« (1952) wiederum holt viel von seiner Energie aus den Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika und Asien. Aber die Ge­schich­­te vom gescheiterten Dandy-Genie erzählt sich natürlich leichter.

 


Ab Mi 6.5. (bis Juli), Kino 813 in der Brücke. Infos: filmclub-813.de