Irgendwas mit Medien

Vor 25 Jahren startete die Kunsthochschule für Medien: Wofür steht sie heute in der deutschen Filmlandschaft?

Ein surrealer Puppen-Animationsfilm, ein Kurzspielfilm über einen jungen Berliner Türken in der Identitätskrise, ein Experimentalfilm, in dem sich das Riehler Colonia-Hochhaus ins Unendliche streckt und vervielfältigt. Was haben diese Filme gemein? Zumindest ihre Herkunft: Alle entstanden an der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM). Zu sehen sein werden »Ausbruch« (1999), »Allerleihrauh« (2004) und »Rauschen und Brausen 1« (2007), so die Titel der Filme, im Mai in einem Best-of-Sonderprogramm, das die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen anlässlich des 25-jährigen Geburtstags der KHM zeigen.

 

Ein Vierteljahrhundert KHM. Zeit für ein Resümee. Findet sich in den 15 Filmen aus Vergangenheit und Gegenwart der KHM, die dieses Jahr in Oberhausen zu se-hen sein werden, irgendeine ästhetische, inhaltliche oder sons-ti-ge Gemeinsamkeit? Gibt es so etwas wie den typischen KHM-Film?

 

Die Suche nach solchen Schnitt-mengen ist natürlich problematisch. Filmemacher werden im besten Fall dazu ausgebildet, Individualisten zu sein: innovativ, eigen, un-vergleichbar. Dennoch: Die Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin (dffb), die Hochschule für Film und Fernsehen in München (HFF) oder die Filmakademie Baden-Württemberg haben alle so etwas wie ein Image. Die 1966 gegründete dffb lebt von der Aura ihrer politisch radikalen Anfänge und der Gegenwart der »Berliner Schule«, der einzigen international relevanten aktuellen Filmbewegung aus Deutschland. Die ebenfalls 1966 entstandene HFF war Ausbildungsstätte von Autorenfilmern wie Wim Wenders, Dominik Graf und Hans-Christian Schmid — auch wenn die bayerische Film-industrie immer stärker eine kommerzielle Ausrichtung fordert. Und die seit 1991 existierende Film-aka-demie Baden-Württemberg hat als Alleinstellungsmerkmal ihre Animationsabteilung, von der im-mer wieder Absolventen zu den großen US-Studios wie Pixar und Dreamworks gelangen. Doch das Profil der KHM zu fassen, fällt schwer.

 

Die SPD-Politikerin Anke Brunn, von 1985 bis 1998 Wissenschaftsministerin in NRW und maßgeblich an der Gründung der KHM beteiligt, formulierte 1990 allerhöchste Ziele: »Wir wollen eine Hochschule, von der man später wird sagen können: Hier haben Menschen studiert, die den europäischen Film des 21. Jahrhunderts prägen, die das Fernsehen und alles, was man damit machen kann, kulturell revolutioniert haben.«

 

Das Jahrhundert ist noch jung. Aber nach 25 Jahren KHM lässt sich schon sagen, dass diese Messlatte arg hoch gelegt wurde. Zumal im vergangenen Vierteljahrhundert der europäische Film nicht maßgeblich von Deutschland aus geprägt wurde — das war zuletzt in den 70er Jahren der Fall. Und was das Fernsehen anbelangt: Das hat sich in dieser Zeit weitgehend in kulturellen Opportunismus geflüchtet und den Spielraum für »Revolutionen«, die von Kunststudenten ausgehen könnten, auf kleinste Nischen reduziert.

 

Vielleicht ist das aber der falsche Blickwinkel auf die KHM — aufgrund der Sonntagsreden von Politikern und Funktionären, aufgrund des Erfolgs von Hans Weingartners Abschlussfilm »Das weiße Rauschen« (2002) und vor allem aufgrund des unklaren Profils der Schule selbst. Der Widerspruch zwischen Kunstausbildung und dem Bedienen der Alltagsbedürfnisse der großen Sendeanstalten wurde nie aufgelöst. Das lässt sich schon an der Riege der Professoren ablesen: Waren es in der Frühzeit unter anderem Alfred Biolek und Medienkunst-Pionierin Valie Export, die hier lehrten, sind es jetzt der WDR-Programmbereichsleiter für Fernsehfilm, Kino und Serie Geb-hard Henke sowie der britische Küns-tler Phil Collins. Die KHM hat den Spruch »Irgendwas mit Medien« von Anfang an zur Maxime veredelt.

 

Im Nachhinein lässt sich allerdings feststellen, dass diese Unbestimmtheit gerade das Visionäre war. Denn heute gilt: Filmregisseure gibt es mehr als genug, was fehlt, sind Medienschaffende, die flexibel auf die im ständigen Wandel begriffene Branche und ihre Grenzauflösungen reagieren können — als Künstler oder als Dienstleister.

 

Und so sind die wichtigen Absolventen, die die KHM hervorgebracht hat, nicht etwa Raymond Boy, der 1997 den Studenten-Oscar gewann und dann als Filmemacher in der Versenkung verschwand. Auch nicht Hans Weingartner, der es mit seinem zweiten Spielfilm »Die fetten Jahre sind vorbei« bis in den Wettbewerb nach Cannes geschafft hat und seitdem nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen kann. Stattdessen sind es derzeit eher die KHM-Absolventen, die die Ehrenfelder Bild und Ton-fabrik gegründet haben, und alles machen: von Ausstellungsdesign über Lichtinstallationen bis hin zur »Neo Show« mit Jan Böhmermann. Oder auch der Künstler Mischa Leinkauf, der vergangenes Jahr zusammen mit Matthias Wermke mit dem Flaggentausch auf der Brooklyn-Bridge weltweit für Schlagzeilen sorgte.