»Vielleicht bin ich ein bisschen manisch veranlagt«

Die Produzentin und DJ Jennifer Cardini ist in Köln heimisch geworden

Der Name Jennifer Cardini ist unmittelbar mit der elektronischen Musikszene Frankreichs verbunden. Ein Milieu, das Cardini von Anfang an umarmte. Kaum war die damals 24-Jährige 1998 aus Nizza nach Paris gezogen, wurde sie Resident im Pulp, einem kleinen Club, in dem so ziemlich jeder Kölner DJ mal aufgelegt hat, später auch im ebenso geschichtsträchtigen Rex Club. Dort sollte sie auch den Mitinhaber von Kompakt Michael Mayer erstmals treffen — der Anfang einer tiefen Freundschaft und sehr produktiven Beziehung mit dem Kölner Vorzeige-Techno-Imperium, auf dem Cardini in der Folge veröffentlichen sollate und das heute auch ihr vor vier Jahren gegründetes Label -Correspondant vertreibt.

 

Was lag näher, als irgendwann nach Köln rüber zu machen, allein schon da die Tage von Paris gezählt waren? »Ich realisierte 2011, dass ich die Stadt verlassen muss«, führt sie aus. »Paris ist zwar sehr schön und reich an kulturellen Möglichkeiten, aber eben auch sehr einnehmend und herausfordernd. Nach 15 Jahren war ich an den Punkt gekommen, wo ich eine Pause brauchte.« Was sie damit anspricht, war das Gefühl und die Notwenigkeit, dem Stress, den eine derart »schnelle und teure Metropole mit sich bringt«, und dem Dilemma, deswegen nicht genügend Frei- und Rückzugsräume zu besitzen, die gerade bei einem intensiven Leben innerhalb der Musikszene notwendig sind, eine Grenze zu setzen.

 

Dass gerade Köln die Heimat für ihren Neuanfang wurde, lag neben Kompakt auch an den vielen Freundschaften, die sie über die Jahre in der Stadt geknüpft hatte — nicht zuletzt hatte sie sich hier neu verliebt. Für Cardini bedeutete dies eine Stimmung des Aufbruchs, die es ihr ermöglicht, wieder näher an die Musik heranzutreten und sich intensiver mit ihr auseinanderzusetzen. Heute spricht sie davon, dass Köln die ideale Heimat für sie sei. »Die Stadt liegt in der Mitte von Europa, man kommt von hier überall hin, und ich empfinde Köln auf seine Art als schön und beruhigend«, erzählt sie. »Wenn ich von meinen Reisen heimkehre, kann ich hier entspannen und mich auf mein Label fokussieren. Wenn ich die Zoo-Brücke mit dem Taxi überquere, stellt sich bei mir ein Heimatgefühl ein. Es ist gar nicht so leicht, auch nach zwanzig Jahren im DJ-Business nicht, seine Balance zwischen dem Leben unterwegs und zu-hau-se zu finden — in Köln schaffe ich das.«

 

Das alles soll aber nicht bedeuten, dass sich Cardini völlig von Paris abgewendet hätte. Neben Residencies in London, Barcelona und Berlin bespielt sie mit ihrem Label Correspondant immer noch einmal im Monat das Rex. Bei der Auswahl der Orte ist es essentiell für sie, dass diese ihr viel Freiheit bei der Gestaltung des Bookings lassen. »Die Musik auf unserem Label und somit auch bei den Clubnächten ist nicht sehr kommerziell. Deswegen ist es uns wichtig, dass wir keine Kompromisse in Sachen Qualität und Spaßfaktor machen müssen und wirklich nur Leute einladen, die wir sehr schätzen.«

 

Das Label, das aus der Party-reihe hervorgegangen ist, war ein lang gehegter Traum. Für jemanden, der wie Cardini mit elektronischer Musik aufgewachsen ist, ist es ihr ein großes Anliegen, junge, talentierte Produzenten zu finden zu arbeiten und mit ihnen gemeinsam etwas aufzubauen — und so etwas von dem Heimatgefühl, das ihr die Kölner Szene spendet, zurückzugeben. Das gesagt, wirft sie ein, dass das Label erst jetzt im zweiten Anlauf gelungen ist, der erste scheiterte noch an ihrer eigenen jugendlichen Wildheit. »Es war wohl noch nicht an der Zeit«, drückt sie es aus, »Kompakt und Köln waren Faktoren, die geholfen haben.«

 

Die Ausrichtung von Correspondant ist natürlich eng mit den Geschmack von Cardini verbunden: So warm und verspielt ihre Sets anmuten, so vielseitig präsentiert sich auch der Labelkatalog, der zwar klar und deutlich Techno sagt, aber eben auch Disco und Indie, und dessen Narrativ viele Stimmungen kennt, von euphorisch bis zu klaustrophobisch. Mittlerweile sind auf Correspondant 36 EPs und drei Compilations erschienen — eine beachtliche Serie, wenn man bedenkt, dass das Label erst seit vier Jahren existiert. Cardini kommentiert trocken: »Entweder Vollgas oder gar nichts, oder?« Und ergänzt: »Vielleicht bin ich ein bisschen manisch veranlagt. Nun, ich mag es halt, wenn in meinem Leben etwas passiert.«

 

Ganz aktuell erscheint dieser Tage neben Maxis von Agents of Time und Vox Low das Debüt-album von Man Power. Es ist der erste Longplayer überhaupt auf Correspondant und ein weiterer Schritt für Cardini, die Vision von einem Label zu verwirklichen, -dessen Musik nicht unbedingt auf die Tanzfläche ausgerichtet ist. Als ob das alles noch nicht genug an Aktivitäten wäre, steckt die Ruhelose auch noch in den letzten Zügen der ersten EP ihres neuen Projekts Cardini & Shaw. Köln scheint ihr wirklich sehr viel Energie zu spenden.