Elegant durch die Abstraktion

Taylor McFerrin hat sich mit seinem Debütalbum Zeit gelassen

So hätte auch eine dieser klassischen Dub-Techno-Maxis von Basic Channel beginnen können: diffuse Stimmung, tiefes Rauschen, dumpfe Bassdrum, Dröhngeräusche, verhaltene, auf Zeit-lupen-Tempo runtergepegelte Stimmung. Tatsächlich hebt Taylor McFerrins Debütalbum »Early Riser« (2014) aber so ab. McFerrin ist jemand, der mit Stimmungen spielt, sie zitiert, antippt, einwechselt, auswechselt, umschmilzt, sie nicht auskostet und sich ihnen, wie etwa die Basic-Channel-Producer Moritz von Oswald und Mark Ernestus, lustvoll unterwirft. Also vergessen wir den Basic-Channel-Eindruck ganz schnell wieder und staunen über die 1000 folgenden. Würde man alle Assoziationen aufzuzählen versuchen, es klänge beliebig und unglaubwürdig. Das alles steckt dieser junge Mann in ein Album? Oh Gott!

 

Schon 2010 hat er sein Debüt angekündigt, als es letztes Jahr dann endlich erschienen ist, entpuppte es sich als nachgerade exemplarischer Erstling: »Early Riser« ist ebenso überambitioniert (überreif) wie ein Zeugnis übergroßen Talents. McFerrin beherrscht alle Stile des modernen — schwarzen — Pop, die verschmolzen und eingedampft zu dem führen, was — schnell, schnell — als Future Soul genannt und für gewöhnlich von dem Schirmherren dieses Neo-Genres Flying Lotus verlegt wird: »Early Riser« ist auf dessen Label Brainfeeder erschienen.

 

Future Soul ist nicht neu, aber clever. Erinnert sei an die wüsten Alben, die Doctor L und Squarepusher um die Jahrtausendwende vorgelegt hatten. Im Prinzip war das bereits Future Soul, aber rauer, verkiffter, verspielter und zitatverliebter — mit einem Wort: geil, aber nicht so richtig cool. Future Soul dagegen klingt wesentlich distanzierter, ein wenig vornehme Verachtung gegenüber dem R’n’B- und HipHop-Mainstream, kein vordergründiges Adaptieren des schwarzen Avantgarde-Grooves von Miles Davis und Tony Williams‘ Lifteime. Stattdessen ein leichtfüßiges Tänzeln durch die Eiswüsten der Abstraktion. Taylor McFerrin kann das wirklich gut. Selten perlten die Dissonanzen so sanft. 

 

McFerrin hatte zuvor nur Kostproben seines Könnens abgeliefert: Hier mal gesungen, dort mal pro-du-ziert, ab und an ein Remix. Vielleicht kann man sich so locker und geduldig durch diese Popwelt der ultrakurzen Aufmerksamkeitsspannen bewegen, wenn der Vater ein Weltstar des Jazz ist. Taylor McFerrin hat sich die Latte selber hochgelegt, er wird nicht daran scheitern. »Early Riser« ist ein Al-bum, das dazu einlädt, das Im-plizite explizit zu machen: Die Bühne ist der richtige Ort, auf dem Future Soul wieder zu einem kollektiven, euphorischen Erlebnis wird.