Hölle, Hölle, Hölle

 

Sebastian Baumgarten macht aus Dantes

Göttliche Komödie ein Grusical

 

Der römische Dichter Vergil, ein blinder Hipster, ein Kunsthistoriker im Versace-Pulli und zwei Frauen bringen Dante davon ab, sich die Kugel zu geben. Wie ein Kriegsheimkehrer steht er vor ihnen, um festzustellen, dass seine Jugendliebe Beatrice nicht mehr lebt. Ihre Wohnung ist weitervermietet, ihr Körper liegt längst auf dem schneebedeckten Friedhof. Warum noch weiterleben? 

 

In einem großem zweistöckigen Betonkomplex mit Mini-Appartements und Tiefgarage (Bühne: Thilo Reuther) startet Dantes Höllenfahrt aus der »Göttlichen Komödie«. Der Fahrstuhl wird zum Symbol für den Ritt durch neun Höllen-kreise, vom Fegefeuer ins Paradies. Vergil steht Dante aufklärend zur Seite. Je tiefer sie steigen, desto größer wird das Grauen. Die Atheisten schmoren selbstredend im Höllenfeuer, die Nimmersatten quälen sich mit Fettleibigkeit und ihren Exkrementen. Das Mädchen, das Selbstmord beging, kann Dante nicht retten. Überhaupt, sobald er in das Schicksal der Verdammten eingreift, spritzt Vergil ihn ins Koma. Ab in die nächste Etage!

 

Auf den Zuschauer prasselt ein bunter Grusel-Bilderreigen des Kos-tümduos Tewes-Findeklee ein. Es gibt Slapstick in Fatsuits, einen drei-köpfigen Dämon und einen schädelfressenden Rächer im Rollstuhl.

 

Dramaturgie und Regie drehen jedoch kaum Höhen und Tiefen in den Abend. Die Herzkurve der Inszenierung verläuft geradlinig. Nur einmal wird der Ausverkauf der Kunst angeprangert, immerhin! Der Höllentrip steht nämlich für das Inferno des Künstlers Dante Alighieri in der (Welt-)Krise. Auch Baumgartens Technikspielereien helfen nichts: Er liefert (Live-)Videoprojektionen, Nebel, Beats und Blut. So routiniert und präzise komponiert, dass es an die glatte Musical-Ästhetik herankommt. Um Vergebung der sieben Todsünden wird illustrativ gebettelt. Einzig der zeitlose Text der rund 700 Jahre alten Commedia hält die Spannung. Das eingekürzte Mammut-Werk wird von den Schauspielern sicher getragen. Als Dante irrt Guido Lambrecht souverän durch die Unterwelt-Stationen: ihm stockt der Atem, er verzweifelt, geht zu Boden, dreht durch. Nur im Brüll-Modus flacht seine Leistung ab.

 

Am Ende, wenn ihm seine Beatrice im Jenseits erscheint, stimmt das Ensemble am Flügel »Ich bin der Welt abhanden gekommen« von Gustav Mahler an und lässt schön kitschig weiße Ballons steigen. Das kann nur ein prätentiöser Weltknall toppen. Immerhin bringt er am Ende die Erlösung.