Soundtrack Cologne: See the Sound

Über James Brown scheint alles gesagt und geschrieben. Hollywood hat 2014 sogar ein Biopic (»Get on Up«) über den Musiker gedreht. Da ist auch von einem Dokumentarfilm keine neue Perspektive mehr zu erwarten. Deshalb ist es konsequent, dass »Mr. Dynamite: The Rise of James Brown« einfach in genretypischer Manier aktuelle Statements von Weggefährten mit historischem Material kombiniert. Die Interviews sind so pointiert und die alten Aufnahmen so mitreißend, dass diese HBO-Produktion ein Musterbeispiel dafür ist, wie effektiv eine konventionelle filmische Form genutzt werden kann. 

 

Das neue Werk von Oscar-Preisträger Alex Gibney (»Taxi to the Dark Side«) läuft im »See the Sound« betitelten Begleitprogramm des Filmmusik-Festivals Soundtrack Cologne, das 19 Dokumentarfilme umfasst. In deren Fokus stehen nicht nur internationale Stars, sondern auch Musiker, die hierzulande keinem breiten Publikum bekannt sind. So stellt Angeliki Aristomenopoulou in »A Family Affair« eine Familie vor, die seit Generationen zu den wichtigsten Repräsentanten kretischer Musik gehört. Indem die Filmemacherin Kreta mit der australischen Diaspora kontrastiert, wo Protagonist Georgis vorübergehend lebte und seine Kinder nun studieren, reflektiert sie subtil die Widersprüche, in die jede Folklore heutzutage verstrickt ist. Diese Widersprüche scheinen jedoch obsolet, sobald in der zweiten Filmhälfte Georgis’ Vater auf den Plan tritt: Der zottelbärtige Lyraspieler Psarandonis ignoriert die Filmcrew — und versprüht umso unwiderstehlicher sein kauziges Charisma.

 

Im Unterschied dazu wirkt »Lambert & Stamp« anregend und anrührend, weil die Hauptfiguren sich ehrlich bemühen, ihre einstigen Motive und Handlungen zu erklären. Kit Lambert und Christopher Stamp hatten 1964 die raffinierte Idee, eine noch unbekannte Rockgruppe zu managen und darüber einen Dokumentarfilm zu drehen. Der wurde nie fertig, aber was man vom Filmmaterial jetzt zu sehen bekommt, ist herrlich.
Es markiert einen wichtigen Punkt der Popgeschichte: die Anfänge von The Who. Die Hälfte jener Band ist inzwischen ebenso tot wie Lambert, der 1981 starb — was den differenzierten Interviewaussagen von Christopher Stamp und den Who-Musikern Pete Townshend und Roger Daltrey nur noch zusätzliche Resonanz verleiht.