Genie und Pappmaché

»Frank« von Lenny Abrahamson

In drei Filmen hat Lenny Abrahamson (»Garage«) bereits seine Faszination für Außenseiterfiguren ausgelebt. Nun nimmt er sich die Pappmaske des englischen Komikers Chris Seevey, füllt sie mit der Persona des schizophrenen Songwriters Daniel Johnston, unterfüttert sie mit den manischen Arbeitsmethoden eines Captain Beefheart — und macht daraus einen höchst eigenwilligen Film. Fernab des sicheren Fahrwassers eines Biopics kreist er in tragikomischen Kapriolen um fehlgeleitete Ambitionen, Sehnsucht nach Zugehörigkeit und die Frage, wo Kreativität eigentlich herkommt.

 

Durch einen Zufall landet der Möchtegern-Songwriter Jon als Keyboarder bei der exzentrischen Band Soronprfbs. Frank, der rätselhafte Bandleader, legt seinen riesigen Pappmachékopf auch zum Duschen nicht ab, wie Jon bald feststellt. Der monatelange Produktionsmarathon für die nächste Platte treibt nicht nur ihn in emotionale Ausnahmesituationen. Ohne das Wissen seiner Kollegen stellt Jon Aufnahmen der Sessions ins Internet: mit Erfolg. Die Band wird zum South-by-Southwest-Festival nach Texas eingeladen. Doch der vermeintliche Durchbruch bringt das fragile Bandgefüge zum Kippen.

 

Anstrengungslos balanciert »Frank« zwischen Absurdität und Traurigkeit, schwarzem Humor und tragischen Untertönen. Gerade die ominöse Maske, unter der Ausnahmeschauspieler Michael Fassbender die meiste Zeit des Films verbringt, bleibt wider Erwarten kein groteskes Gimmick. Fassbenders subtil physisches Spiel verleiht dem Pappkopf in manchen Momenten fast so etwas wie eine Mimik. Abrahamsons Inszenierung lässt Frank eine provozierende Rätselhaftigkeit, an der sich Jon stellvertretend für den Zuschauer immer obsessiver abarbeitet. Franks naiv-verschrobene Genialität, die Teppichflusen oder quietschende Türklinken in surreale Songtexte verwandelt, wird dabei durch Stephen Rennicks großartige Musik kongenial untermauert.

 

Im zweiten Teil verschiebt sich der Focus von der Qual und dem Glück des kreativen Prozesses zur Satire auf den oberflächlichen Starkult im Netzzeitalter, dem etwas simpel die selbstgenügsame Hingabe an die (analoge) Musik entgegengestellt wird. Am Ende nimmt der Film Frank zwar sein Rätsel, zugleich aber unterläuft er dabei den Kurzschluss von Genie und Wahnsinn. Kreativität lässt sich nicht durch biographische Erklärungen einholen.