The Living Soundtrack

Vier Theatergruppen verknüpfen im Club Musik und Theater

Vier Künstler. Vier Aufbrüche. Vier Ankünfte. Ein Ort. Eine Band. Drama Köln hat vier der interessantesten Kölner Theatergruppen zusammengetrommelt und lädt zu vier Konzerten in das King Georg — die keine sind. Vielmehr liefert die Musik den Soundtrack eines Hörspiels, das live in der Stadt performt wird. katze&krieg, Jonas und Paul Baeck von den Acting Accomplices, Julia Pfleiderer und Drama Köln selbst: Sie holen die reale Welt live in den Club und machen aus ihm Theater. Initiiert wurde das Projekt von Philine Velhagen von Drama Köln und der Dramaturgin Felizitas Kleine. 

 


Philine, Drama Köln lädt zu vier Konzertabenden, die gleichzeitig Live-Hörspiel sind? Was erwartet uns?

 

Philine Velhagen: Das, was die Zuschauer zunächst vor Augen haben, sind die Musiker, die spielen. Das Konzert ist aber nicht nur Konzert. Es wandelt sich zum Soundtrack eines Hörspiels, das sich mit der Musik vermischt. Während die Musiker auf der Bühne stehen, performt die jeweilige Gruppe in der Stadt, und zwar live. Der Sound dieser Performance wird in das King Georg übertragen. Wir springen immer wieder in die Wirklichkeit außerhalb des Clubs und wieder zurück. 

 

Die Protagonisten »draußen« übernehmen die zentrale Rolle an den Abenden? 

 

Velhagen: Ja. Das Draußen ist zunächst akustisch präsent. Dann spielen wir mit der Vorstellungskraft der Zuschauer. Was hat man für Bilder im Kopf, wenn be-stim-mte Handlungen oder kleine Sequenzen aus der Stadt zu hören sind?  Und schließlich kommt das Außen früher oder später zur Tür herein. Wir haben bewusst die »klassische« Situation des Theaters gewählt, um das gemeinsame Erlebnis ins Zentrum der Wahrnehmung zu stellen.

 


Du meinst, die Zuschauer sitzen fest auf den Stühlen und vorne agieren die Schauspieler und die Musiker? 

 

Velhagen: Genau. In diesem Hin und her steckt viel Spielpotenzial. Wir verschneiden diese Momente des Außen und Innen und verwandeln Wirklichkeit in Theater und umgekehrt.

 

Felizitas Kleine: Vielleicht schaffen wir es, einen Moment reiner Gegenwart bewusst zu machen. Die Zuschauer erleben ja nicht nur sich selbst im King Georg, sondern auch andere Menschen, die draußen sind. Die befinden sich zwar in einer ganz anderen Situation, aber in genau demselben Moment. Und diejenigen, die draußen sind, sind sich nicht im Klaren darüber, dass sie gerade eine künstlerische Handlung miterleben. Damit spielen wir.

 


Alle vier Gruppen und Künstler arbeiten unter den gleichen Bedingungen. Wie unterschiedlich werden die Abende ausfallen? 

 

Kleine: Es werden sehr unterschiedliche Ansätze und Ästhetiken zu sehen und zu hören sein. Das Duo katze und krieg lässt sich in »wirklich sehen« mit verbundenen Augen in Köln aussetzen und versucht so seinen Weg zum King Georg zu finden. Die Regisseurin Julie Pfleiderer wird eher so etwas wie eine performative Audioinstallation inszenieren, die unsere Wahrnehmung hinterfragt. Jean Paul und Jonas Beck von den Acting Accomplices werden mit dem Hörspiel-Regisseur Matthias Kapohl in »Brüderchen und Schwesterchen« den Zuschauer an einem Familienstreit teilhaben lassen, der quasi nebenan stattfindet. Zudem wird jeder Künstler auf eine Band treffen, einen musikalischen Spielpartner, der live das Geschehen interpretiert. Die Bandbreite der Musiker reicht von Sicker Man über Gregor Schwellenbach bis hin zu The Nest. 

 


 

Velhagen: Bei mir dreht sich alles um das Phänomen, dass wir uns als Zuschauer auf den Weg ins Theater machen, um Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich gemeinsam im Jetzt findet.  Diesen Moment des Ankommens möchte ich untersuchen, größer ziehen und spielerisch mit dem Publikum — für das wir all das immer wieder wagen und machen — interagieren. Von wo kommt es, was bringt es von unterwegs mit,  gibt es noch Platz für Uneingeladene?

 

Der Abend steht daher auch unter dem Titel »Das Lied der Ankommenden«. 

 


Philine, die letzte Frage an Dich, als Chefin von Drama Köln. Ihr arbeitet übergreifend mit drei anderen Gruppen zusammen und habt mit diesem Projekt so etwas wie ein neues Theaterformat entwickelt. Bleibt es das eine ein-malige Sache?

 

Velhagen: Mir gefällt dieser Netzwerkgedanke sehr gut. Ich glaube, dass das für uns die Zukunft ist. An einen festen Ort waren und sind die Arbeiten von Drama Köln ohnehin nicht gebunden. Vielmehr an Menschen. Zusammenschlüsse, Synergien und dezentrale Fusionen in der freien Theaterarbeit interessieren mich gerade sehr. Auch Kooperationen mit größeren Institutionen sind dabei interessant. In diesem Projekt beispielsweise unterstützt uns der WDR, der die technische Realisation übernehmen wird und das Urban Art Festival Cityleaks, in deren Rahmen wir unser Kick-Off mit allen Gruppen realisieren können. Also, wir sind mitten drin und werden uns in diese Richtung auf jeden Fall weiterentwickeln.