Ewig aktuelle Parolen: Kartäuserwall 14 in der Südstadt | Foto: Manfred Wegener

Solidarität in Sprechblasen

In der Südstadt ist nach langer Zeit wieder ein Haus besetzt worden

»Super, dass endlich was passiert. Weiter so!«, steht am Kartäuserwall 14. Das Haus in der Südstadt wurde am 4. September besetzt, und die Nachbarn können ihre Meinung dazu auf Pappen schreiben, die an der Fassade angebracht sind. 27 Jahre lang hat dahinter Familie Montag gelebt. Doch am 3. September musste sie das Haus verlassen, weil sie einer »angemessenen wirtschaftlichen Verwertung« im Wege stehe. Der neue Eigentümer, eine Arnsberger Immobilienfirma, will das Haus abreißen, um dort zwei neue Stadthäuser zu bauen. Das Amtsgericht Köln fällte das Räumungsurteil, nachdem die Familie die neunmonatige Frist der Kündigung vom März 2012 hat verstreichen lassen. Dagegen hat sie Berufung eingelegt, den dreijährigen Rechtsstreit nun aber verloren. »Hier findet ein Austausch der Bevölkerung statt — arm gegen reich«, erklärt eine Hausbesetzerin, die ihren Namen nicht nennen will.

 


Für die Südstadt wohnten die Montags ungewöhnlich günstig: Die Warmmiete für die rund 140 Quadratmeter große Wohnung betrug knapp 720 Euro — so viel wie beim Einzug im Jahr 1988. »Wirtschaftlich sinnvoll« so der Anwalt der Eigentümer sei laut zwei Gerichtsgutachtern nur der Abriss, da das Haus »marode und baufällig« sei. Die Bauaufsicht der Stadt Köln stimmte dem zu. Mehrere Gutachten geben den Montags dennoch recht: Eine Nutzung des Hauses für die nächsten 45 Jahre sei bedenkenlos möglich, da die Bausubstanz völlig in Ordnung und ein Abriss daher unnötig sei. Der geplante Neubau sei dagegen »nicht genehmigungsfähig« und »bedenklich«, heißt es in einem Gutachten des Kölner Achitekten Konrad Müller, auf das sich auch die Hausbesetzer beziehen. Zu wenig Abstand zu den Nachbargebäuden und Umstimmigkeiten beim Brandschutz werden darin angeführt. Mittlerweile hat sich das Bauaufsichtsamt zu einer erneuten Prüfung bereit erklärt.

 


Streitpunkte gibt es allerdings noch mehr. Der neue Vermieter hat den Montags angeboten, sie könnten in den Neubau einziehen. Über die Höhe der Miete existieren unterschiedliche Aussagen. Die Immobilienfirma behauptet zudem, dass die neuen Stadthäuser doppelt soviel Wohnfläche wie bisher besäßen, die Besetzer sprechen jedoch nur von einem Plus von 25 Quadratmetern.

 


Am 8. September haben Hausbesetzer und Hausbesitzer telefoniert. Eine Lösung scheint sich abzuzeichnen. Zwar wurde vorher bereits eine Strafanzeige gegen die rund 30 Besetzer gestellt, bis zum 14. September hatte die Polizei aber nicht eingegriffen. Zehn Tage ohne Räumung, das ist in Köln eine lange Zeit. Eine vergleichbare Besetzung an der Moselstraße wurde 2011 bereits nach vier Tagen beendet.

 


Vielleicht hat sich die Stimmung in der Stadt gewandelt. Als vergangenes Jahr der Stadtbedienstete Kalle Gerigk aus seiner Wohnung im Agnesviertel geräumt werden sollte, hatte er nicht nur linke Aktivisten auf seiner Seite, sondern auch die Sympathien der Kölner Bevölkerung. Auch die Nachbarn am Kartäuserwall haben Verständnis für die Hausbesetzung. Das zeigen die Sprechblasen auf der Fassade. Die Wohnungsnot in Köln schweißt offenbar zusammen.