Night of Surprise

Sie sind so verständlich wie lächerlich, so aufrichtig wie rührend: die Wonnen der Differenzierung, des Sortierens, Zuordnens, Katalogisierens. Aus dieser Aufwallung gehen Nerds hervor. Wer einmal in den Sog einer Subkultur geraten ist, genießt es, wie sich der Gesamteindruck immer weiter aufsplittert. Free Jazz? Da muss man natürlich unterscheiden zwischen europäischem und amerikanischem, zwischen britischem, deutschem und holländischem, zwischen ostdeutschem und westdeutschem, zwischen Wuppertal und Berlin. Die Zellteilung ist unendlich. Aber nur für diejenigen, die sie beobachten. Für die überwältigende Mehrheit bleibt Free Jazz schlicht Free Jazz.

 

Und für die gibt es die Night of Surpirse. Ein extrem niedrigschwellig konzipiertes Festival — Eintritt frei, kurze Konzerte —, das viele zusammenbringt, die das Harmonische nicht im Naheliegenden, sondern im Zersplitterten und Dissonnaten suchen: Shelley Hirsch & Joke Lanz, Eugene Chadbourne & Schroeder, Sunrise Over A Dystopic Future City, Holger Hiller, The Night-ingales, Nils Quak, Islam Chip-sy, Where is the sun?, Lakker, Slowfox und noch etliche mehr. Helden der 80er und Helden von heute, Postpunk, elektroakustsiche Improvisa-tionen, ägyptischer Hochzeitsrave und Südstaaten-Country-Free-Jazz. 

 

Einerseits spiegelt diese Nacht der Nächte die unendliche Differenzierungslust der Außenseiter-Musiken wider, andererseits ist das aber ganz egal: Man muss nicht (mehr) darüber diskutieren, wie sich die Highspeed-Improvisationen des Banjo-Virtuosen Chadbourne zur klassischen Schule der nonidiomatischen Klangforschung verhalten, sondern kann sich den Zusammenhang selber zusammensuchen — indem man einfach zum nächsten Konzert schlendert. Konzept der »Night of Surpirse« ist, dass auf engem Raum ganz viel zur selben Zeit stattfindet.

 

»Night of Surpirse« kommt ohne Abgrenzungswahn und Spezialistentum aus, der ganze Stadtgarten wird geflutet. Nicht nur von Musik, sondern auch von Neu-gierigen und aufgeschlossenen Be-scheidwissern. Letztes Jahr, bei der Festival-Premiere, waren über tausend Leute da. Und so soll es weitergehen!