»In einer Band zu sein, ist das Arroganteste und Egozentrischte, was man machen kann«

 

Mit ihrem dritten Album »La Di Da Di« positionieren sich die Battles als Instrumentalband

Ein bisschen müde sieht John Stanier aus, als wir uns vor seinem Berliner Stammlokal zum Brunch treffen. Wir schreiben Ende August, der Battles-Schlagzeuger ist vor fünf Stunden aus den USA zurückgekehrt, wo seine Band die Songs des neuen Albums »La Di Da Di« beim Musicfest in Portland und beim FYF Festival in Los Angeles zum ersten Mal vor großem Pub-li-kum präsentiert hat. Bis dato hatte man sich auf kleine, intime Konzerte für die Fans konzentriert und beispielsweise in der lediglich 200 Leute fassenden St. Vitus Bar in Brooklyn gespielt. 

 

Stanier bekämpft den Jet Leg mit Kaffee und Blutwurst, als regel-mäßiger Pendler zwischen seinen Wohnsitzen Berlin und New York ist das für ihn so was wie Alltag, und überhaupt ist er nicht die Type, die jammert. 

 

»La Di Da Di«, das dritte Album der Battles nach »mirrored« (2007)und »Gloss Drop« (2011), sei keine leichte Geburt gewesen, stellt er klar. Ganze zwei Jahre haben die beiden Gitarristen Dave Konopka, Ian Williams und Stanier gebraucht, bis es den extrem hohen Ansprüchen, die sie an sich selbst stellen, gerecht geworden ist. Schließlich gehe es ihnen nicht darum, lediglich ein weiteres Album vorzulegen, das als Ticket für Touren in den Veröffentlichungszyklen der Musikindustrie diene: »Nein, ein Battles Album soll auch noch in 35 Jahren Bestand haben!«

 

Schlagartig schaut der fröhliche Stanier sehr ernst drein: »Ich bin kein Popmusiker, dem es nur darum geht, auf Platz 1 der Charts zu kommen und einen kurzen Moment von den Leuten geliebt zu werden. Mir ist es wichtig, etwas Bleibendes zu erschaffen. Am schlimmsten wäre es, wenn ich das Gefühl hätte, wir würden uns nur noch wiederholen.« Die Battles sei-en keine dieser klassischen Rockbands, die an drei Tagen in der Woche üben und dabei langsam den Song aufbauen, berichtet er von ihrem Arbeitsalltag. Stattdessen würden sie alle drei zunächst sehr viel alleine und im stillen Kämmer-lein an Ideen arbeiten. Die eigentliche Arbeit finde dann im Übungsraum statt, wo es gilt, die Unmengen an Ideen und Sounds in konkrete Loops zu formen und diese im nächsten Arbeitsschritt in konstistente Arrangements einzubetten. »So einfach ist das nicht mit uns, viele unsere Ideen verlaufen sich im Nichts. Es kann zum Beispiel sein, dass Ian mit einem ganz tollen Loop ankommt, aber dann interpretiert ihn Dave als Reggae-Song und wir schmeißen ihn letztlich doch noch weg.« Ihm selbst komme am Ende des Aufnahmesprozess, wenn es gelte die Drums einzuspielen, eine doppelte Funktion zu: den Song einem finalen Test zu unterziehen und ihn zu veredeln.

 

Es ist schon zur Sprache gekommen, John Stanier lebt mittlerweile halb in Berlin und halb in New York, Ian Williams ist vor kurzem Vater geworden, da stellt sich natürlich die Frage, wie man als Band mit dieser neuen Ära der Distanz und des Familienlebens umgeht.

 

»Natürlich wird alles nicht leichter mit dem Alter«, führt Stanier aus. »Aber wenn wir erstmal zusammen in einem Raum sind, dann herrscht noch immer die alte Dynamik. Außerdem -touren wir verrückter als je zuvor. Heutzutage gibt es ja so viele Fes-tivals, wir fliegen viel häufiger für nur einen oder zwei Auftritte ein, wir touren fast wie DJs.« Er stockt für einen Moment und spricht dann weiter: »Alles, was außerhalb der Band stattfindet, ist immer sekundär«, drückt er es in aller Drastik aus. »Musiker zu sein, in einer Band zu sein, ist das Arro-ganteste und Egozentrischte, was man machen kann. Es geht immer nur um einen selbst und um die eigene Vision.«

 

Die Battles haben zwar den Status einer Instrumentalband, wenn man ihren Backkatalog, inklusive des bis dato größten Hits »Atlas« aber genauer unter die Lupe nimmt, so entdeckt man, wie zentral eigentlich die menschliche Stimme in ihren Stücken ist. Immer wieder tauchen Gesang und Stimmfetzen — beim Vorgänger »Gloss Drop« kamen diese von Gary Numan, Matias Aguayo, Kazu Makino und Yamantaka Eye von den Boredoms. Auf »La Di Da Di« findet sich allerdings kein einziges Stück mit Gesang. Ein kategorisches Nein habe es aber nicht gegeben, merkt Stanier an. »Nach den ersten fertigen Stücken war einfach irgendwann klar, dass es ein rein instrumentales Album werden würde.« Das sei aber sowieso nicht so wichtig, was zähle sei, »dass uns wieder ein Album gelungen ist, das anders
als die Vorgänger klingt«.

 

Die Diskussion, ob Instrumentalband oder nicht, spielt auch in anderer Hinsicht keine Rolle, denn die drei empfinden ihre Musik als extrem narrativ. »Wir haben zwar keine Texte zu den Songs, aber in unseren Köpfen existieren trotzdem Geschichten«, berichtet Stanier. »Das geht so weit, dass wir Karten an der Wand im Übungsraum hängen haben, auf denen all die verschiedenen Ideen zu finden sind. Da steht dann ›Reise auf einem fliegenden Teppich‹ geht über in eine ›Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe‹, dann kommt eine ›Verbrecherjagd‹ und schließlich ein ›Ritt auf einem Pferd‹. Es ist unsere Art, all unsere Ideen greifbar zu machen und sie vor allem nicht zu vergessen. Die Battles sind eine sehr narrative Band, aber in einer Sprache, die unmittelbar nur wir verstehen.«