Bis die Nähte platzen

»Beißpony« spielen mit Klischees und mögen es unbequem

Von wegen alles nur erfunden: Das Beißpony gibt es wirklich. Es ist auf einer Seite rosa, auf der anderen blau, hat rasiermesserscharfe Zähne, denen es seinen Namen verdankt, ein Horn auf dem Kopf und den ganzen Bauch voll zerquetschter Spielzeugautos.

 

2006 erblickte es im Münchener Kafe Kult das Licht der Welt: Da begegneten sich die Textilkünstlerin Steffi Müller und Laura Theis, Songwriterin aus der Anti-Folk-Szene, zum ersten Mal. Als »Zeitlupen-Piano-Punk mit offenen Nähten« bezeichnet das Mu-sikerinnen-Duo ihren Sound seitdem — mit ratternden Näh-maschinen, zweckentfremdeten Farbsprenklern und Spielzeug-konserven bürsten sie die Genres gegen den Strich.

 

Denn gezähmt ist Beißpony noch lange nicht. In einer wilden Mischung aus Fashion-Performances und Musical-Shows erproben die beiden Künstlerinnen den Aufstand auf der Bühne, schreiben Briefe aus Buchstabennudeln an das Publikum und nähen ihre Alben in die Eingriffe von Herrenfeinrippunterhosen. Irgendwo zwischen liebenswerter Zugänglichkeit und sarkastischer Gesellschaftskritik liegen diese Botschaften, mit denen Beißpony gegen sexistische und kapitalistische Verhältnisse aufbegehrt.

 

Der inspirierende Widerspruch, den ihre Positionierung hinterlässt, ist auch ihrem 2014 erschienenen Debüt-Album »Brush Your Teeths« anzuhören. Darauf zerhackstückelt das Duo zarte Kompositionen aus Stimme und Klavier mit Störgeräuschen, wie einer amplifizierten Elektrozahnbürste, die an Gitarren-seiten gehalten wird, oder Soundschnipseln eines Slut Walks. An den Protagonistinnen ihrer bittersüßen Lieder wird denn auch gleich die eigene Dissidenz duch-erxerziert: Ein rosagehörntes Einhorn namens Isolde denkt über Arbeitsverweigerung nach, die Dada-Baronesse Elsa von Freytag-Loringhoven erwacht zu neuem Leben und im Coversong »Diane« der legendären Hardcore-Band Hüsker Dü wird das Schicksal einer vergewaltigten und ermordeten Kellnerin besungen.

 

Mit Chicks On Speed Records haben Beißpony ein angemessenes Label für ihre Veröffent-lichungen gefunden — und die Förderung der Iniatiative Musik des Bundes für eine aufwändige Gestaltung von Cover-Artwork und Verpackung genutzt. In zwanzig Collagen aus Pop-Art und Comic schafft der Künstler Klaus Erich Dietl einen magisch-düsteren Abdruck der Beißpony-Welt, voller Vampire, Einhörner und Weisheiten à la »Arme sind zum Umarmen da«.

 

Wer dieses fulminante Spektakel live bestaunen möchte, hat dazu am 7. Oktober Gelegenheit. Dann bringen Beiß-pony im Autonomen Zentrum die Verhältnisse probeweise zum Tanzen, unterstützt von der hiesigen Riot Grrrl-Band Sans Gene. Die, so erzählt es Isolde hinter vorgehaltener Hand, bald schon in den Olymp der Kölner Subkultur aufsteigen wird.