Pop als System. Genauer: als ein Verweis-System, als Archiv für Nachhaltigkeit. Pop als Gedächtnisspeicher. Merkwürdige Attribute, wenn es um diese flüchtige und für kommerzielle Schäbigkeiten durchlässigste Kunstform geht. Verachtete doch der Pop-Diskurs in Deutschland, ehe er albern akademisch wurde, die Vergangenheit. Pop war dringlich, jung, fand hier und jetzt statt. 

Das Week-End Fest stellt das auf den Kopf — die Kategorien tanzen. Seit 2011 kümmert sich das Kölner Ausnahme-Festival nicht um den Zeitgeist — genauso wenig aber auch um eine Verklärung der Vergangenheit — und folgt strikt seiner eigenen Agenda. Die besteht darin, verrückte Idee zu realisieren. Sollte Jochen Distelmeyer jemals ein Musical für Swing-Orchester und mit Jens Rachut in der Rolle des Räuber Hotzenplotz schreiben, das Week-End Fest wäre der richtige Ort, es aufzuführen. Wir werden berichten.

Konfrontationen gibt es aber auch dieses Jahr: Wenn z.B. nach der Pop Group Notwist auftreten. Mark Stewarts Pop Group stand Anfang der 80er für Post-Punk, der dank Dub-Technik und Dauergeschrei des Sängers heftig ins Free-Jazzige lappte: schroffe, abgehackte Musik für Leute, die was gegen Nackenverspannungen unternehmen wollen. Die Weilheimer Notwist-Bruderschaft hingegen pflegt die unverbrüchliche Kontinuität: Sie definieren ihre Musik mittlerweile als ruhigen Fluss, an dessen Ufer die letzten Wildpferde Europas grasen. Dass nach diesen beiden Acts Adrian Sherwood die Bühne betritt, der stilprägendste Dub-Produzent außerhalb Jamaikas, darf man getrost als Synthese aus Stockung (Pop Group) und Strom (Nowtist) verstehen. In Zusammenarbeit mit der KHM wird Sherwood übrigens noch einen Studio-Workshop geben.

Das war jetzt nur ein Beispiel für eine glückliche Bühnen-Konstellation! Die anderen müssen Sie selber entdecken. Wenn etwa der legendäre türkische Produzent Maustafa Özkent auf Billy Childish, den letzten Punk aus der Kreidezeit, trifft und danach Ariel Pink seinen Auftritt hat. Da wird sich was ablagern im Hirn, aber nur gute Substanzen.