Foto: Manfred Wegener

Rap ist ein Frühwarnsystem

Akua Naru lädt HipHop mit Poesie und Politik auf

Den Blick geradeaus gerichtet, die langen Dreadlocks von einer Krone bedeckt. In der einen Hand ein nostalgisches Rillenmikrofon, in der anderen ein Speer, auf der Schulter ein gelber Kanarienvogel.

 

So posiert Akua Naru auf dem Cover ihres aktuellen Albums »The Miner’s Canary«. Es ist ein ein starkes Bild und erinnert an eine afrikanische Stammesfürstin, wenn man es nicht besser weiß. Tatsächlich ist das Bild einem Foto von Huey P. Newton nachempfunden, einem der Gründer der schwarzen Selbstverteidigungsorganisation Black Panther Party in den USA. Die Gruppe setzte sich in den 60er und 70er Jahren radikal in Wort und Tat gegen die gesellschaftliche Unterdrückung von Afroamerikanern ein. Newton trägt auf dem Foto einen Speer in der einen und ein Gewehr in der anderen Hand. »Ich wollte seine Waffe interpretieren,  meine ist eben das Mikrofon«, sagt Akua Naru im Interview. Die Rapperin trägt das Erbe der Black Panthers auf ihre Weise weiter.

 

Die Songs der Wahlkölnerin handeln vor allem von den Erfahrungen dunkelhäutiger Menschen in den USA und Europa. Rassismus, Sexismus und patriarchale Strukturen sind Themen, die die Afroamerikanerin nicht nur musikalisch thematisiert. Die Rolle der people of colour in einer von Weißen dominierten Gesellschaft treibt die 37-Jährige schon lange um. Sie arbeitete als Dozentin in den USA, China und Deutschland und hielt Vorlesungen über HipHop-Kultur gemeinsam mit der renommierten afroamerikanischen Wissenschaftlerin Tricia Rose an der Hamburger HipHop Academy.

 

Rose war es auch, die Akua Naru zu dem Albumtitel »The Miner’s Canary« inspiriert hat. Der Kanarienvogel wird darin als Metapher für die schwarze Community gesehen. Früher wurden Kanarienvögel von Bergarbeitern mit in die Minen genommen. Giftgase und schwindenden Sauerstoff registrierten die Tiere schon sehr frühzeitig, so dienten sie den Arbeitern als Frühwarnsystem. Die Weiterarbeit in der Mine hängt unmittelbar davon ab, ob der Vogel lebt oder stirbt. Im übertragenen Sinne: Widerfährt der schwarzen Community Leid, so ist die Gesellschaft als ganze davon betroffen.

 

Ihr Einsatz für die afroamerikanische Kultur und dabei speziell die Stellung von Frauen ist selbsterklärend, wenn man einen Blick auf die Biografie der Rapperin wirft. Akua Naru, mit bürgerlichem Namen Latanya Hinton, wurde als Kind der Arbeiterklasse in New Haven, Conneticut, geboren. Nachdem der Vater die Familie verlassen hatte, wuchs die damals Siebenjährige mit ihren zwei Geschwistern bei Mutter und Großmutter auf. Akuas Umfeld war nicht nur zu Hause von starken Frauen geprägt: Ihre Tante leitete den Gospelchor und der ansässigen Kirche stand eine Pastorin vor. Geballte Frauen-Power also.

 

Durch den Abgang des Vaters beschäftigte sich Akua schon in der frühen Kindheit mit Lyrik und schrieb eigene Texte. Die afroamerikanische Dichterin Maya Angelou ist noch heute eines ihrer entscheidenden Vorbilder. Bereits im Alter von acht Jahren fing Akua, inspiriert durch einen Onkel, an, ihre Texte in Raps umzusetzen und mit Cousins und Freunden auf Partys im heimischen Hinterhof aufzutreten. Der Grundstein für ihre Rapkarriere war gelegt.

 

Akuas Umfeld war nicht nur von Harmonie geprägt. Als Teenager erlebte sie, wie eine Frau aus ihrer Nachbarschaft von drei -Männern brutal zusammengeschlagen wurde — eine Erfahrung, die die damals 14-Jährige traumatisierte und nachhaltig prägte. Bei der City Kids Foundation in ihrer Heimatstadt fand sie Unterstützung und begann in Gesprächsrunden Themen wie Rassismus und geschlechtsspezifische Gewalt zu diskutieren. In der Folge fing Akua Naru an sich intensiv mit Bürgerrechtsaktivisten wie Malcolm X und Assata Shakur auseinanderzusetzen. Mit der Marginalisierung von Afroamerikanern und dabei insbesondere von Frauen in den USA beschäftigte sich die Rapperin in ihren Studien der Urbanistik und Pädagogik. 

 

Und heute vor allem in der Musik. Denn Akua Naru will gehört werden. Was mit »The World is liste-ning« auf ihrem Debütalbum »The Journey Aflame« (2012) begann, setzt sich auf ihrem aktuellen Album fort. Exemplarisch ist der Song »Heard«: Nur von Drums und einem fetten Bass begleitet rappt Akua davon, wie wichtig es ist, die eigene Geschichte zu erzählen und gehört zu werden. Die reduzierte Instrumentierung ist gewollt, Beats und Bass treiben dadurch umso prägnanter nach vorne. Mit dem eher cleanen Sound setzt sich der Song von den übrigen deutlich ab, die mehr von Jazz-, Soul- und Blues--anleihen geprägt sind. Im Gegensatz zum Debüt ist »The Miner’s Canary« komplett live eingespielt, es finden sich kaum Samples. Akua Naru hatte als Produzentin fast überall ihre Finger im Spiel, das spürt man. »This is my Baby on another level«, sagt die Rapperin. 

 

Neben Akuas kraftvoller Stimme verleihen Cody ChessnuTT, Ben L’Oncle Soul und Fetsum den Songs eine gute Portion Soul. Schlagzeuglegende Bernard Purdie und Jazz-Trompeter Christian Scott, der auch schon für Prince gespielt hat, steuerten ebenfalls ihre Expertise bei. Während Akuas erstes Album innerhalb von sechs Monaten fertig war, hat sie sich für »The Miner’s Canary« zwei Jahre Zeit gelassen und ist für die Aufnahmen und Features um die halbe Welt gereist. Gerade ist sie wieder international auf Tour. And the World is listening.