"America, America" - Elian Kazans selten gezeigtes Emigrations-Epos bei den Armenischen Filmtagen

Armenische Filmtage

Eines der großen Nicht-Themen dieses Jahres: der Genozid an den Armeniern vor hundert Jahren. Zwar wird er erwähnt, selten jedoch in seiner Entwicklung betrachtet, bei der das Deutsche Reich eine nicht unwichtige Rolle spielte. Wie es Ralph Giordano 1986 im Titel eines schon damals umstrittenen WDR-Features polemisch formulierte: »Die armenische Frage existiert nicht mehr«. Natürlich existiert sie noch. Natürlich entstehen weiterhin Filme dazu. Und natürlich sollte man sich diese Werke häufiger ansehen, da Filme mit der Zeit immer mehr Bedeutung erlangen, im Zusammenspiel mit der Geschichte, durch die hindurch sie immer wieder auf- und abtauchen. Die aktuellen Filme, welche vom 10. bis zum 16. November in der Reihe »Children of Hayastan« an mehreren Orten der Stadt neben Giordanos Essay zu sehen sein werden, dürften politische Gemüter bewegen — etwa Suzanna Khardalians »Grandma’s Tattoos« (2011) oder Arthur Sukiasyans »Our Atlantis« (2014). Cinephilere Geister werden sich für die Klassiker interessieren, die in einer angenehm ausgreifende Auswahl vertreten sind. Darunter die sowjet-armenischen Monumente etablierter Großmeister wie Frunze Dovlatyan (»Karot«, 1990) und Henrik Malyan (»Nahapet«, 1977). Aber ebenso Elia Kazans viel zu selten gezeigtes Emigrations-Epos »America, America« (1963) und Kommerz-Auteur Henri Verneuils »Mayrig« (1991) — einem Versuch in semiautobiografischer Aufklärungsunterhaltung. Und dann gibt es auch noch mit Don Askaryans »Komitas« (1988) ein Schlüsselstück exil-armenischen Kinos, bei dessen Aufführung der Regisseur anwesend sein wird. Welches Feld von Wahrheiten lässt sich finden zwischen diesen Aufbrüchen in die Erinnerung und diesen wehmütigen Blicken zurück auf eine Heimat, die man nie hatte? Ergänzt wird die Auswahl an Filmen durch Konzerte, Diskussionen und Lesungen, zum Beispiel mit der türkischen Autorin Ece Temelkuran, die das Verhältnis zwischen Armeniern und Türken thematisiert.