Die Welt im Bleistiftformat

Dan Perjovschi zeigt »No idea« im Schnitt Ausstellungsraum

 

Schon wieder eine Ausstellung verpasst? Wer vor dem Ladenlokal in der Jülicher Straße Nummer 14 steht, sieht kleine die Scheibe überziehende Figuren – doch ist das Innere des Kunstraums bereits freigeräumt? Erst beim Eintreten entdeckt man hauchdünne Bleistiftkritzeleien und beginnt umhergehend, mal sich bückend, mal nach oben streckend, die zahlreichen Graffiti auf den Wänden zu entdecken.
Die überall verteilten kurzen Bildnachrichten, Cartoons, Karikaturen und Kommentare des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi bereiten Vergnügen. Die beiden Organisatoren des Schnittraums, Sabine Oelze und Lutz Becker, haben den in Bukarest lebenden Zeichner und Konzeptkünstler eingeladen, einige Zeit in Köln zu leben und vor Ort seine Ausstellung zu erarbeiten. Das ist dem scharfen Beobachter menschlicher Situationen leicht gefallen, der in Bukarest seit 1991 Cartoons für die oppositionelle politisch-kulturelle Zeitschrift 22 veröffentlicht. In seiner Heimat ist der engagierte Künstler bekannt: als Zeitungskolumnist, Performancekünstler mit Auftritten im Fernsehen, offizieller Vertreter Rumäniens auf der Biennale Venedig.
Jeder seiner kleinen Zeichnungen ist eine Diagnose und zugleich eine Kritik, die mit wenigen Linien und einfachen Formen eine Idee auf das Wesentliche verdichtet und ins Absurde und Groteske verdreht. Als Perjovschi anreiste, setzten die Demonstrationen gegen Hartz IV ein. So illustriert er die Aufschrift der Einladungskarte »REZESSION« mit fünf Biergläsern, von denen zwei durchgestrichen sind, und stellt damit Wilhelm Buschs Kalauer auf den Kopf: »Es ist bekannt von alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör.« Wer Rezession hat, der trinkt auch Bier – nur weniger.

Spiegelung der Kunstszene

In Köln spießt er nicht nur die allgemeine politische Lage, die Amerikawahl auf. Er spiegelt auch die Kunstszene mit ihren eigenen Ritualen, Hierachien, Machtstrukturen und Wechselspielen zwischen Künstler, Kuratoren, Galerie und Kunstmesse. Da kriegt auch die Entourage des Schnittraum ihr Fett weg. Man sieht einen Kubus, davor drei Figuren: ein »Journalist«, ein »Publisher«, ein »Art Critic« – macht zusammen: einen »Not-for-profit-space«.
Perjovschis figurative Zeichnungen funktionieren als öffentliche und vergängliche Kunst, die man gewöhnlich nicht nach Hause tragen kann. Doch wer will, kann ein Künstlerbüchlein mit in Köln entstandenen Blättern erwerben. 2005 gibt es mehr Perjovschi in Köln: Ein Projekt im DC: Saal des Museum Ludwig und dazu ein Insert in der StadtRevue.


Schnitt Ausstellungsraum, Jülicher Str. 14, sa 13-17 Uhr u.n.V., Tel. 130 8320, bis 8.1.05.
Buchpräsentation: 4.12., 19 Uhr. Künstlerbuch zu beziehen über Schnitt Ausstellungsraum, 252 S., DIN A6, Faksimile